LULA VON BRASILIEN

Fernando Morais

Im Brasilien, in dem Lula 1945 zur Welt kam, waren seine Chancen zu überleben und mit einer guten Erziehung und einer würdigen Arbeit heranzuwachsen, äußerst gering. von 10 Kindern die im Nordosten des Landes geboren wurden, vollendeten zwei nicht einmal ihr erstes Lebensjahr. Er hat die Dürre, den Großgrundbesitz und den Hunger, die drei Plagen der Region, überlebt.

In der Welt, in die Lula geboren wurde, war das Schicksal Brasiliens von den Interessen der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg bestimmt. In Brasilien lebte die Hälfte der Bevölkerung isoliert im Landesinneren und 56% der Bevölkerung waren Analphabeten (im Nordosten mehr als 70%). Die rückständigen Eliten lebten von landwirtschaftlichen und finanziellen Renten und bekämpften hartnäckig jeden und jede, der oder die von einem entwickelten und sozial gerechten Land träumte.

Das Leben Lulas mischt sich mit dem Kampf einer ganzen Generation von Brasilianern, die diesem Schicksal trotzte. Noch als Kind machte er sich mit seiner Mutter und seinen Brüdern auf den langen Weg von Garanhuns (im Bundesland Pernambuco) bis zur Küste von São Paulo, wo sie andere Schwierigkeiten erwarteten: Arbeitslosigkeit, Slums, Gewalt. Und immer wieder der Hunger. Sie haben dank des Durchhaltevermögens der Mutter Lindu überlebt, die die Kindern gelehrt hat, schon früh zu arbeiten und das Wenige, das jeder verdiente, zu teilen.

Als die Militärs 1964 nach ihrem Putsch an die Macht kamen, war Lula ein junger Arbeiter. In den folgenden Jahren, im Herzen der brasilianischen Industrie, begann Lula seine politische Lernphase in der Gewerkschaft und das zu einem Zeitpunkt, in dem Lohnforderungen und der Kampf um Arbeiterrechte zu Gefängnis, Folter und Tod führen konnten. Er organisierte Streiks und gewann die Überzeugung, dass die Arbeiter und Arbeiterinnen Politik machen mussten und eine eigene Partei brauchten.

Der Lebenslauf Lulas nach der Gründung der Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) im Jahre 1980 ist bekannt. Er gründete die größte Partei des Landes, forderte die Vorurteile, die Mächtigen und die Medien heraus, bis er im Oktober 2002 als erster Arbeiter zum Präsidenten Brasiliens gewählt wurde. Während der acht Jahre in Regierungsverantwortung hat er bewiesen, dass es möglich sei, das Leben im Land zu ändern.

Folgen Sie der vom Journalisten Camilo Vannuchi zusammengestellte Biografie.

Foto: Ricardo Stuckert

DIE ERSTEN JAHRE

Juni 1935

Die 20-jährigen Eurídice Ferreira de Melo, Frau Lindu, heiratete den 22-jährigen Aristides Inácio da Silva. Die Hochzeit fand lediglich kirchlich statt, denn sie lebten weit vom nächsten Standesamt entfernt. Das Fest wurde auf dem Landgut Cajaranas im Hinterland des Bundeslandes Pernambuco gefeiert. Das Ehepaar kannte sich von klein auf. Die Familien von Lindu und Aristides waren Nachbarn und nach der Tradition heiraten die jungen Leute untereinander, da in dieser Zeit die Bewohner*innen der Region ihre Dörfer nur verließen, um in einer nahegelegenen Stadt Lebensmittel zu kaufen. Der Markt fand in Garanhuns statt, auf dem Aristides mit dem wenigen Geld, das er mit dem Verkauf von Maniokmehl an eine lokale Mühle verdiente, Salz, Zucker, Kerosin und Seife kaufte. Als Selbstversorger lieferte der Ehemann seiner Frau Mais, Bohnen und Maniok zum Kochen, manchmal auch ein Huhn, ein Schwein oder Jagdbeute, denn er war ein guter Schütze.

September 1945

Lindu und Aristides leben auf einem kleinen Hof namens Vargem Comprida in Caetés. Das Hinterland von Pernambuco erleidet die größte Trockenzeit seit 1932. So eine Dürre wird erst wieder 1951 über das Land hereinbrechen. Die Felder vertrocknen, es gab fast nichts zu essen und zu trinken und Aristides verließ seine schwangere Frau und seine sechs Kinder, um seinen Lebensunterhalt in São Paulo zu verdienen. Ohne Wissen der Familie nahmt er das 15-jährige Mädchen Mocinha, eine Cousine von Lindu, die ebenfalls von ihm schwanger ist, mit sich. Er fand schnell Arbeit als Lastenträger bei einem Kaffeehändler in Santos an der Küste von São Paulo und zog mit Mocinha in ein Holzhaus im Bereich von Vicente de Carvalho, Guarujá.

Oktober 1945

Luiz Inácio Lula da Silva wurde auf dem Kleinbauernhof Vargem Comprida in Caetés als siebtes Kind von Aristides und Lindu geboren. Die Geburt fand zu Hause statt, in einem einfachen Bau mit gestampften Lehmboden und nur zwei Räumen: einer Küche und einem Zimmer. Die Kinder schliefen in Hängematten. Es gab weder Tisch noch Stühle, noch fließendes Wasser oder eine Toilette, nicht einmal draußen. Gebadet wurde einmal die Woche in einem Teich, der sechs Kilometer entfernt lag.

Juni 1949

Das erste Foto Lulas mit seiner Schwester Maria, die zwei Jahre älter ist, bei einem Fotografen in Garanhuns. Seine Kleidung und die Schuhe, die ihm zu groß sind, wurden von dem Fotografen ausgeliehen. Lula besaß keinerlei Fußbekleidung und bekam seine ersten Schuhe erst als Jugendlicher in São Paulo.

Juni 1950

Aristide besuchte seine Familie zum ersten Mal seit 1945. Lula ist fünf, sah seinen Vater zum ersten Mal und fragte seine Mutter: “Wer ist dieser Mann?“ Vor seiner Rückreise nach Santos schwängert Aristide seine Frau aus Neue. Diesmal nimmt er seinen Sohn Jaime mit.

Dezember 1952

Lindu ruft ihre Kinder zusammen, verkaufte ihre wenigen Habseligkeiten und reiste auf einem offenen Lastwagen in Richtung Küste von São Paulo. Was sie allerdings nur aufgrund eines Verrats von Jaime schafften: Aristides war Analphabet und diktierte Jaime seine Briefe an die Ehefrau. In einem dieser Briefe sagte er, dass das Leben in Santos schwierig sei und bestand darauf, dass die Ehefrau in Pernambuco verbleibe. Der Sohn Jaime schrieb jedoch das Gegenteil: Er gab vor, Aristides zu sein und riet der Mutter, alles zu verkaufen und zu ihm zu kommen. Die Familie folgte den Auswanderungsströmen der Zeit in Richtung Südosten, wo die Industrialisierung voranschritt. Tausende von Migranten folgten in den nächsten Jahrzehnten demselben Weg, flohen vor dem Klima und dem Mangel an Aussichten in ihrer Heimat, wo es nicht nur an Regen, sondern auch an Investitionen fehlte. Allein im Januar 1952 erreichten 23.000 Leute aus dem Nordosten São Paulo. Diese Tendenz verringerte sich erst in den Jahren nach 2000, als die Politik des Präsidenten Lula das Einkommen umverteilte und Arbeitsplätze schaffte. Das Statistische Zentralamt registrierte 2010, dass die Bevölkerung des Nordostens im Land verblieb und Personen sogar zurückkehrten. Das Bundesland, in das die meisten Menschen zurückkehrten war Pernambuco. Nach dreizehn Tagen, eingepfercht in einem Lastwagen, stieg die Familie in Bras, in der Hauptstadt São Paulo (Hauptstadt des gleichnamigen Bundesland), aus und fuhr weiter nach Santos. Mit einem Boot kamen sie schließlich nach Vicente de Carvalho, wo sie Aristides und Jaime antrafen. Der erschrockene Vater zeigte keine Freude über die Ankunft von Frau und Kindern.

„Mein Vater war ein Abgrund der Unwissenheit. Eines Tages aß mein Vater Brot und meine Schwester, die damals drei Jahre alt war, bat um ein Stückchen. Mein Vater gab den Hunden Brotstücke, aber nicht meiner Schwester. Das hat mich stark geprägt, ich war damals acht oder neun Jahre alt.“

August 1953

Mit sieben Jahren begann Lula, zusammen mit seinem Bruder Ziza (der später Mönch Chico genannt wurde), der drei Jahre älter war, auf der Straße Erdnüsse, Maniok und Orangen zu verkaufen. Lula war schüchtern und scheute sich, auf den Hafenpier von Santos „Kauft meine Orangen!“ zu rufen. Er wurde schließlich Schuhputzer im Stadtzentrum.

März 1954

Ohne das Wissen des Vaters besuchte Lula die Grundschule Marcílio Dias. Der Vater verbot den Kinder das Lernen und Spielen, nur Arbeiten war erlaubt.

Oktober 1955

Lindu hatte genug von ihrem Alkoholsüchtigen und brutalen Ehemann, der seine Kinder schlägt und verließt ihn mit ihren Kindern. Ausschlaggebend war, dass Aristides seinen Sohn Ziza mit einem Schlauch schlug und dann auch über Lula herfiel. Die Mutter stellte sich schützend vor ihren Jüngsten, der damals neun Jahre alt war, und musste selbst Hiebe einstecken. Zum ersten Mal fühlte sie am eigenen Körper die Wut ihres Mannes und wollte das nicht akzeptieren.

„Wir hatten nicht das Leben normaler Kinder, die spielen, sich amüsieren. Die Trennung war ein Schrei der Freiheit“.

August 1956

Lula zog nach São Paulo und wohnte mit Mutter und Geschwistern in Vila Carioca, einem Arbeiterviertel im Distrikt Ipiranga. Sie wohnten im Hinterzimmer einer Bar, deren Pächter ein Onkel ist, und mussten das Badezimmer mit den Gästen teilen. Kein Asphalt, keine Pflastersteine auf der Straße, auch keine Abwasserleitungen, nicht einmal Stühle oder ein Tisch im Haus. Schnell fanden die Söhne Arbeit und die Familie zog in ein gemauertes Haus, das aber bei starkem Regen stets überschwemmt wurde.

März 1959

Nach Beschäftigungen als Straßenhändler, Schuhputzer, Bürogehilfe und Färbereiarbeiter, fandLula seine erste feste Arbeitsstelle beim Generallager Columbia. Schüchtern wie damals, als er nicht „Orangen“ rufen wollte, verstummte er, wurde nervös wenn er am Telefon reden musste und irrte sich bei den Nachrichten, die er weitergeben soll. Er wurde deshalb entlassen. Seine größte Freude war es, Fußball zu spielen, oder ins Kino zu gehen, wenn jemand ihm die korrekte Kleidung dafür leihte.

September 1960

Mit 14 Jahren begann Lula in der Schraubenfabrik Marte, wo er seinen ersten Lohn als Metallarbeiter verdiente: einen halben Mindestlohn. In diesem Job ergab sich die Möglichkeit, im Senai, der nationalen Industrielehranstalt, eine Fachkurs zu machen. Lula war an der ersten Option, Gießer, nicht sehr interessiert, begeisterte sich aber für die zweite Möglichkeit und lernte Dreher. In den nächsten drei Jahren wird er nicht nur den Beruf erlernen, sondern auch den Unterricht der Berufsschule besuchen, wo es zu seiner Freude auch Sportunterricht wie Fußball oder Basketball gabt. Lula spielte auch an den Sonntagen Fußball, gründete mit seinen Klassenkollegen ein Fußballteam, nahm an kulturellen Ereignissen der Schule Teil und wurde bald der am besten verdienende Sohn von Lindu und konnte daher einen großen Teil der Ausgaben des Haushalts bestreiten. Er absolvierte das sechsmonatige Praktikum zum Abschluss seiner Ausbildung in der Schraubenfabrik Marte, wo er schon dreieinhalb Jahren gearbeitet hatte und Freundschaft mit dem Meister an der Drehbank, dem alten Barbosa, geschlossen hatte.

März 1962

Mit 18 Jahren arbeitete Lula in der Metallfabrik Independência in der Nachtschicht, oftmals von 19 bis 7 Uhr morgens. In der Fabrik war es üblich, mehr Überstunden zu machen als das Gesetz erlaubte. In einer dieser Nächte brach gegen 2 Uhr früh die Schraube einer Presse und Lula versuchte, den Schaden zu reparieren. In dem Augenblick, als er das Teil an seinen Platz setzen wollte, ließ sein übermüdeter Kollege den Arm der Presse los und sie fiel auf die linke Hand Lulas und zerquetschte seinen kleinen Finger. Lula musste bis sechs Uhr morgens auf seinen Chef warten, mit der Hand in Tüchern umwickelt, bis er endlich ins Krankenhaus Monumento gebracht wurde, das einen Vertrag mit der Firma hatte. Der Finger wurde amputiert. Solche Ereignisse waren keine Ausnahme. In einem Land, in dem die Regeln der Sicherheit auf dem Arbeitsplatz nur selten beachtet wurden, gab es viele Arbeiter mit fehlenden Gliedmaßen, so als wäre das der Preis der für die Industrialisierung zu bezahlen sei. Aufgrund des Unfalls erhielt Lula eine Entschädigung von 371.000 cruzeiros, das entspricht etwa 5.000 Euro in 2014. Er arbeitete dann normal weiter in der Fabrik.

Dezember 1962

Lula bestand seine Abschlussprüfung im Senai. Bei der Übergabe des Diploms tragte er zum ersten Mal in seinem Leben eine Krawatte.

„Ich hätte gerne studiert. Hätte gerne ein Wirtschaftsstudium gemacht. Ich will mich nicht beklagen, ich habe das Wesentliche: die ideologische Verantwortung.“

Januar 1963

Nach dem Abdanken von Jânio Quadros im Jahr 1961 wurde João Goulart Präsident und veröffentlichte sowohl sein Regierungsprogramm wie auch die Nachricht zur Rückkehr zum Präsidentialismus, der in einem Volksbegehren von 90% der Bevölkerung unterstützt wurde. Davor, um überhaupt das Präsidentenamt übernehmen zu können, wurde er durch die Armee gezwungen den Parlamentarismus zu akzeptieren, der seine Macht als Präsident einschränkte. Sein Regierungsprogramm hatte eine starke soziale Komponente und schloss Maßnahmen wie die Landreform und die Verstaatlichung von privaten Unternehmen in strategischen Segmenten ein. Die Unterstützung der Arbeiterklasse entsprach der Sorge der Unternehmer.

März 1964

Der Militärputsch, der das Land für 21 Jahre in die Diktatur führte, wurde von den Vereinigten Staaten und der traditionellen Presse unterstützt, als nötige Maßnahme gegen das Gespenst des Kommunismus verteidigt, welches, den Militärs und der reaktionären Segmente der Bevölkerung nach, die fortschrittliche Regierung João Goularts umgab. Im neuen Regime werden Parlamentsmitglieder verjagt, Parteien verboten, die Regierungsmitglieder nun ernannt werden und die Zensur herrschte in Presse, Radio und Fernsehen.

Nach einer Diskussion über Lohnerhöhung verließt Lula die Metallfabrik Independência nach elf Monaten und ging zur Firma Fris Moldu Car, wo er sechs Monate lang arbeitete, bis er entlassen wird weil er an einem Samstag nicht zur Arbeit erschien war, sondern vorzog am Strand zu sein.

Juni 1965

Nach dem Militärputsch fiel das Land in die Rezession und Lula blieb mehr als ein Jahr arbeitslos. Er ging von Fabrik zu Fabrik, immer zu Fuß, denn er hatte kein Geld für eine Fahrmöglichkeit, und musste immer wieder dieselbe Antwort hören: wir stellen nicht ein.

„Manchmal weinte ich bitterlich, denn man hatte keine Perspektive. Ich war alleinstehend, hatte daher keine große Verantwortung, ich dachte aber an die verheirateten Männer.“

Januar 1966

Lula wurde in der Industrie Villares in São Bernardo do Campo aufgenommen, einer der bedeutendsten Metallfabriken der Zeit. São Bernardo ist eine der Städte der Region ABC* im Großraum São Paulo, wo sich viele der größten Fabriken des Landes befanden, vor allem die Schwerindustrie und ganz besonders Autowerke. Zu Ende der Siebzigerjahre hatte São Bernardo 210.000 Einwohner und die Nachbarstadt Diadema 90.000. In den beiden Städten wohnten nicht weniger als 130.000 Arbeiter, fast die Hälfte der Einwohner in arbeitsfähigem Alter. Allein bei VW arbeiten ca 40.000 Menschen.

*ABC: Gebiet der Städte Santo André, São Bernardo do Campo e São Caetano.

Juni 1967

Auf Einladung von Frei Chico (Mönch Chico, Chico ist die Kurzform von Francisco), der diesen Spitznamen wegen seiner kreisrunden Glatze erhalten hatte, besuchte Lula zum ersten Mal die Gewerkschaft der Metallarbeiter von São Bernardo und Diadema, deren damaliger Vorsitzende Alfonso Monteiro da Cruz war. Er erzählte, dass er die Gewerkschaftssitzungen mit ihren unnötigen Diskussionen äußerst langweilig fand und lieber zu Hause vor dem Fernseher bliebe. Die Hauptthemen bei der Diskussion waren Hilfsleistungen, wie der Bau einer Ferienanlage oder bessere medizinische Versorgung. Im darauffolgenden Jahr begann das sogenannte Wirtschaftswunder, als die Rezession durch einen Wachstumsprozess ersetzt wurde, angekurbelt durch Kredite aus dem Ausland und Steigerung der Verschuldung. Viele Arbeiter der ABC Städte verdienten gute Löhne und erfreuten sich eines Lebensstandards, der dem der Mittelschicht nahe kam, was das politische Engagement reduzierte, vor allem unter den Arbeitern aus dem Nordosten, die genau wussten, wie viel schlimmer das Leben sein könnte und die um ihre Arbeitsplätze fürchteten. Nach dem er einige Versammlungen der Gewerkschaft beiwohnte, begeisterte Lula sich für die Diskussionen und Debatten zwischen guten Rednern und hatte das Gefühl, an einem Fußballspiel teilzunehmen.

„Ich wollte ein guter Arbeiter sein, meinen Lohn verdienen, mein Leben führen. Kinder haben. Die Idee, Gewerkschaftsführer zu sein ging mir absolut nicht durch den Kopf.“

September 1968

Der Beginn der Aktivitäten Lulas als Gewerkschaftsführer: da Frei Chico, sein Bruder, an der Wahl zur Leitung der Gewerkschaft nicht teilnehmen durfte, weil ein anderer Kollege aus seiner Fabrik (Carraço, Lastwagenkarosserien) bereits zur Wahl stand, überredete er Lula, der Gewerkschaft beizutreten. Seine Nummer ist die 25.968. Er schlug Lula vor für die Aufstellung zur Wahl für die Leitung der Gewerkschaft, deren Chef damals Paulo Vidal war. Lula wurde akzeptiert, weil die andere Mitglieder der Aufstellung dachten, dass er zur damals verbotenen Kommunistischen Brasilianischen Partei (PCB) gehörte, ebenso wie sein Bruder Frei Chico. Somit hätten sie die Unterstützung der Arbeiter dieser Partei.

GEWERKSCHAFTER

April 1969

Lula tratt nach seinem Wahlsieg in die Leitung der Gewerkschaft ein und übernimmt am 24. April seine Rolle als zweiter Stellvertreter. Er ist Gewerkschaftsvertreter bei der Basis, arbeitet weiter in der Fabrik und ist innerhalb der Fabrik Villares aktiv.

Mai 1969

Mit 23 Jahren heiratet er Maria Lourdes, seine Freundin seit dem Alter von 18. Die Hochzeit ist einfach, es gibt gegrilltes Fleisch und Guaraná (eine Art Limonade). Das Ehepaar fährt auf Hochtzeitsreise nach Poços de Caldas im Süden von Minas Gerais. Lourdes ist die Schwester seines besten Freundes, Jacinto Ribeiro dos Santos, genannt Lambari.

Anderthalb Jahre nach der Hochzeit erfährt Lourdes, dass sie schwanger ist.

Mai 1971

Im siebten Monat ihrer Schwangerschaft erkrankte Lourdes. Lula klapperte die öffentlichen Krankenhäuser ab und versuchte, dass sie aufgenommen wird. Umsonst. Anämisch, Opfer einer Hepatitis und der Nachlässigkeit der Ärzte, die sie nicht ins Krankenhaus aufnehmen wollen, starb Lourdes bei einem Notkaiserschnitt. Auch der kleine Sohn hat nicht überlebt.

„Wer Geld hat, kann Alles. Wer keines hat, kann gar nichts, hat keinerlei Rechte. So wie meine Lourdes gestorben ist, kommen Millionen von Menschen in diesem Land um, ohne das Recht auf medizinische Behandlung.“

August 1972

Depressiv seit dem Tod der Ehefrau und des Sohnes im Vorjahr, klammerte sich Lula an die Gewerkschaftstätigkeit um diesen schwierigen Moment zu überstehen. Er zog nach São Bernardo do Campo. Innerhalb der Fabrik Villares nahm er an Verhandlungen mit der Geschäftsführung teil und zeigte seine Geschicklichkeit. Zum ersten Mal seit seiner Ausbildung im Senai, arbeitete er nicht mehr in der Fabrik sondern in einem Büro der Gewerkschaft. Er wird in die Gewerkschaftsleitung wiedergewählt, nicht mehr als zweiter Stellvertreter sondern als Generalsekretär. Er leitete die juristische Abteilung und ist für die kürzlich geschaffene soziale Sicherung verantwortlich.

April 1973

Lula beendete seine Trauerphase und war nun extravertiert und fröhlich. Als Witwer, wohnte er wieder bei seiner Mutter und ging fast jeden Abend nach der Gewerkschaftsarbeit, zum Tanz oder in eine Bar aus. Er hatte ein kurzes Verhältnis mit der Krankenschwester Miriam Cordeiro, und lernte kurz danach Marisa Letícia Casa kennen, die ebenfalls Witwe war und Mutter des zweijährigen Marcelo. Lula ist bereits in Marisa verliebt als er erfährt, dass seine Ex-Freundin schwanger ist.

März 1974

Geburt von Lurian Cordeiro da Silva, seiner Tochter mit Miriam Cordeiro. Lula erkannte die Tochter sofort an, entgegen dem was im Jahre 1989 von Fernando Collor de Mello behauptet wurde, um Lula als Wahlgegner zu diskreditieren.

Mai 1974

Sechs Monate nach ihrer ersten Begegnung heirateten Lula und Marisa auf dem Standesamt. Ihre Hochzeitsreise führte sie nach Campos de Jordão. Lula wird Marisas Sohn Marcos im Alter von 10 Jahren adoptieren.

Februar 1975

Bei den nächsten Wahlen wurde Lula mit 92% der Stimmen zum Gewerkschaftspräsidenten gewählt und übernimmt die Herausforderung eine enorme Arbeiterkategorie zu vertreten, 100.000 Arbeiter in einem stark anwachsenden Sektor. Er warist bereits sehr populär und ein guter Unterhändler und wurde von Metallarbeitern aus verschiedenen politischen Strömungen unterstützt. Für seine Wahl war die Mithilfe des vorherigen Präsidenten, Paulo Vidal, entscheidend, der aus dieser Wahl als Generalsekretär herausgeht. Da Lula ein schlechter Redner war, dachte Vidal, dass er in der Praxis weiterhin die Macht halten würde. Aber bei seiner Eröffnungsrede las Lula eine Ansprache, in der er sowohl den Kapitalismus als auch den Sozialismus kritisiert, sowie jedes Regime, dass die Freiheit der Bürger einschränkt, was in jener Zeit des kalten Krieges sehr ungewöhnlich war.

März 1975

Geburt von Fábio Luís, des ersten Sohnes von Lula und Marisa.

Oktober 1975

Zu einem Kongress in Tokio eingeladen, reiste Lula zum ersten Mal in seinem Leben ins Ausland. Dort erfährt er, dass sein Bruder Frei Chico, Mitglied der PCB, verschwunden, getötet oder im Gefängnis war. Ihm wurde geraten, nicht nach Brasilien zurückzukehren wegen des enormen Risikos, selbst ermordet zu werden. Lula kehrte entgegen dieses Ratschlags zurück, um seinen Bruder zu suchen. Er begab sich zum II. Heer, dem DOPS, und erst einen Monat später erfährte er den Verbleib seines Bruders, der zu diesem Moment im DÓI-CODI gefoltert wurde, am gleichen Ort, wo einige Tage davor das Regime eines seiner bekanntesten Opfer ermordete: den Journalisten Vladimir Herzog, am 25. Oktober unter Folter verstorben. In den 21 Jahren der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 war das Unterdrückungssystem der Militärs für mindestens 437 Tote und Verschwundene verantwortlich, wie vom Sondersekretariat für Menschenrechte der Präsidentschaft im Jahre 2007 errechnet wurde. Dieses Erlebnis mit seinem Bruders verstärkteLula in seiner Opposition gegen die Diktatur und er radikalisierte seine Ansprachen in den Versammlungen der Arbeiterschaft.

 „Wenn ich für das, was ich denke, ins Gefängnis muss, dann gehe ich eben ins Gefängnis.“

Februar 1978

Lula wurde zum ersten Mal auf der Titelseite einer nationalen Zeitschrift, der ISTOÉ, abgebildet. Er gab dem Chefredaktor Mino Carta und dem Reporter Bernardo Lerer ein Interview. In dem Artikel erschienen Gedanken wie diese: „Nie würde ich bei der MDB* oder der Arena* beitreten, beide haben die gleichen Ziele. Sie vertreten nicht die Arbeiterklasse. Eine Partei, die von oben nach unten regiert, interessiert mich nicht.

„Ich kann offen sagen, dass ich mich niemandem verpflichtet fühle und dass die Gewerkschaft von São Bernardo und Diadema eine der wenigen unabhängigen Organisationen in diesem Land ist. Ich bin nur den Arbeitern die uns gewählt haben verpflichtet. Wir haben Rückgrat und können Euch heute kritisieren, und morgen, wenn es der Fall ist, applaudieren, ohne schlechtes Gewissen. Leider gibt es viele Gewerkschaftsführer die ihr Schäfchen im Trockenen haben.“

*MDB und Arena waren die zwei zugelassenen Parteien während der Diktatur (1964-1985)

April 1978

Lula wird mit 98% der Stimmen zum Gewerkschaftspräsidenten wiedergewählt. Gleich nach seinem Amtsantritt organisierte er die Arbeiterkategorie auf eine moderne und effiziente Art. Wenn die Arbeiter nicht zur Gewerkschaft kommen, so kommt die Gewerkschaft zu Ihnen, und die Versammlungen wurden am Fabrikstor abgehalten. In seinem zweiten Mandat ersetzt Lula die traditionellen Informationsbulletins durch amüsantere Veröffentlichungen mit Karikaturen und Bildern. Es entsteht der João Ferrador, eine Figur von Laerte Coutinho gezeichnet, der zur Ikone der Gewerkschaftspublikationen wird.

Durch Lula erreichte die Gewerkschaftsbewegung ein neues Level an Legitimität. Die neue Gewerkschaftsbewegung die im ABC entstand zeigt sich gleichzeitig kämpferisch und unabhängig. Sie erinnerte weder an den Gewerkschaften die von Gewerkschaftsführern geführt wurden, die den Interessen der Arbeitgeber näher standen als den Bedürfnissen der Arbeiter noch an den Gewerkschaften, in dem die Gewerkschaftsführer durch politische Parteien gelenkt wurden und die die Gewerkschaften als Instrumente zur Verteidigung der Doktrin und Stimmenfang nutzten, ohne sich mit den Bedürfnissen der Arbeiter zu identifizieren.

Mai 1978

Am Tag der Arbeiter organisierte die Gewerkschaft eine Großdemonstration. Die wichtigste Forderung dabei war, die Löhne nicht nur in dem Maß zu erhöhen wie es die Regierung vorgeschlagen hatte, sondern an die Inflation anzupassen, damit die Kaufkraft erhalten bliebe. Die Gewerkschaft rief nicht zum Streik auf, denn Streiks waren verboten, aber die Sprecher teilten den Arbeitern zwischen den Zeilen mit, dass es nötig sei, radikaler vorzugehen.

Arbeiter der Firma Scania, einer Schwedischen Lastwagenfabrik in São Bernardo do Campo, kreuzten die Arme, als sie am 10. Mai ihre Gehaltsabrechnung erhielten. 3.000 Arbeiter streiken und blockierten die Fabrik. Andere Autofabriken ziehen mit. Lula übernahm die Verhandlungen mit der Scania und erreichte ein ziemlich gutes Abkommen, mit einer reellen Lohnerhöhung von 15%. Diesem Beispiel folgten andere Fabriken in der ABC-Region und in anderen Teilen des Großraums São Paulo. Mehr als 150.000 Arbeiter stoppten die Produktion auf ihren Arbeitsplätzen. Am gleichen Tag, dem 12. Mai, erfuhr Lula vom Tod seines Vaters. Aristide wurde in Santos in einem Armengrab beerdigt, er war von Mocinha und allen seinen 24 bekannten Kindern verlassen worden.

„Die Lohnunterdrückung hat zur Folge, dass die Arbeiterklasse, nach vielen Jahren der politischen Unterdrückung, macht was jede Arbeiterklasse auf der Welt unter diesen Bedingungen machen würde: den Firmen ihre Arbeitskraft zu verweigern.“

Lula dachte zum ersten Mal an die Gründung einer Partei. Er hatte diese Idee nach einer Reise in die Hauptstadt Brasília, wo die Gewerkschaftsführer versuchten die Abgeordneten zu überreden ein Gesetz zu verhindern, dem nach Streiks in sogenannten essenziellen Kategorien verboten werden sollten. Die Gewerkschafter fanden bei keiner Parteifraktion Unterstützung. Unter den 482 Bundesabgeordneten gab es nur zwei, die der Arbeiterklasse entstammten: Benedito Marcílio, der Präsident der Metallarbeitergewerkschaft von Santo André und Aurélio Peres, aus São Paulo, von der kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB). Um das Streikrecht zu bekommen, waren 241 Stimmen nötig, es fehlten also 239. Ein MdB sprach zu Lula von oben herab : „Ich brauche Eure Stimmen nicht, ich bin nicht aus Eurem Gebiet und wurde nicht von Arbeitern gewählt“ sagt ein Abgeordneter zu ihm. Durch dieses Erlebnis wurde ihm klar, wie dringend es war Politiker zu wählen, die sich der Arbeiterklasse verpflichtet fühlen.

Juli 1978

Geburt seines Sohnes Sandro Luís.

Dezember 1978

Obwohl die Streiks illegal waren, wurden in diesem Jahr über 400 Streiks gezählt, viele erst im zweiten Halbjahr, Monate nach den Veranstaltungen zum 1. Mai, üblicherweise die Zeit des Jahres, in der meist die Lohnverhandlungen geführt wurden.

Januar 1979

Sobald das Jahr begann, beschloss die Gewerkschaft, die Metallarbeiter im Voraus auf einen Generalstreik vorzubereiten, der dazu in der Lage sein sollte, das Land zu erschüttern. Auf diese Weise hätten sie mehr Zeit, um das Bewusstsein der Arbeiter zu wecken, die Reden zu schärfen, eine Liste der Forderungen zu erstellen und sich besser auf die Aktivitäten für den Mai vorzubereiten.

“In dieser Beziehung zwischen Mitarbeiter/Arbeitgeber ist der Streik die einzige Waffe, die der Arbeiterklasse den Respekt des Arbeitergebers bringt.“

März 1979

Der Generalstreik wird ausgelöst. Der Beitritt zum Streik übertraf die Erwartungen und zwang den Vorstand der Gewerkschaft, die Versammlung in das Fußballstadion Vila Euclides zu verlegen, dem einzigen Ort in São Bernardo, in dem die 80.000 Arbeiter untergebracht werden konnten, die am Nachmittag des 13. März die Versammlung besuchten. Ohne Soundsystem, Megaphon oder Bühne, ist Lula gezwungen zu improvisieren. Er klettert auf einen Stehtisch in der Mitte des Rasens und spricht aus voller Kraft, sodass die nächstgelegenen Arbeiter ihn hören und seine Wörter an diejenigen hinter sich weitergeben konnten, bis die Nachricht auch die hintersten Reihen erreichte.

Der Streik wird vom Arbeitsgericht als illegal angesehen. Zwei Tage später streikten 170.000 Metallarbeiter im ABC.

Polizeifahrzeuge umgaben das Hauptquartier der Gewerkschaft. Das Arbeitsministerium intervenierte und entfernte die gewählten Arbeitervertreter der Gewerkschaft. Tage später ging ein Teil der Metallarbeiter müde und ohne Vertrauen wieder an die Arbeit, und schwächte somit die Fähigkeit des Vorstands, Ansprüche zu erheben.

Lula suchte die Unternehmer auf und schlug eine 45-tägigen Streikunterbrechung mit einer sofortigen Rückkehr zur Arbeit vor, unter den Bedingungen der Beendigung der polizeiliche Intervention in der Gewerkschaft, der Wiedereröffnung des für Versammlungen geschlossene Vila Euclides-Stadions, der Zahlung der Streiktage, keiner Entlassung der Streikenden und schließlich eine Gehaltserhöhung von 11%, wie sie im Vorjahr von den Arbeitgebern angeboten worden war.

In der Versammlung bat Lula um ein Vertrauensvotum und legte die Bedingungen für die Streikunterbrechung dar. “Wenn unsere Forderungen am Ende dieser Frist nicht erfüllt werden, werde ich selbst wieder zum Streik aufrufen”, sagt er. Nach 45 Tagen hatten die Arbeitgeber eine gute Vereinbarung mit der Gewerkschaft getroffen, sie hielten sie aber nicht ein. In verschiedenen Fabriken gab es Entlassungen und Vergeltungsmaßnahmen. Ein Teil der Arbeiter, wütend, verteidigte das Prinzip Alles oder Nichts, und Lula wurde Verräter und käuflich genannt. Da Lula seine Legitimität als gefährdet ansah, schlug er vor, den Vorstand abzusetzen und zu Neuwahlen auszurufen. Am Ende des Prozesses wird der Vorstand einstimmig gewählt und stärkte sich somit für die Kampagne des folgenden Jahres.

Mai 1979

Das Amnestiegesetz wurde erlassen. Unter den Verbannten, die nach Brasilien zurückkehren durften, befindet sich der Soziologe Herbert de Souza, genannt Betinho, der Bruder des Karikaturisten Henfil, dessen Karikaturen häufig die Gewerkschaftsbewegung zugute kamen. 1991 wird Betinho eine nationale Kampagne zur Bekämpfung des Hungers leiten. Er spricht darüber mit Lula im Sitz der Parallelregierung, die von Lula im Jahr 1989 nach der Wahl von Fernando Collor (erster frei gewählter Präsident Brasiliens nach dem Ende der Diktatur) gegründet wurde.

DIE POLITISCHE KARRIERE

Februar 1980

Die Arbeiterpartei (PT) wurde im Sion Gymnasium in São Paulo gegründet. Etwa 700 Personen nahmen an der Zeremonie teil. Die meisten sind Gewerkschafterinnen, Studierende, Anführerinnen sozialer Bewegungen, progressive Katholiken und linke Intellektuelle, wie Mário Pedrosa, Sérgio Buarque de Holanda und Lélia Abramo. Anwesend waren auch 400 Delegierte, die aus den 17 Bundesländern kamen in denen die Partei zugelassen wurde. Die Partei ist das Ergebnis von zwei Jahren der Kampagnenarbeit nach den Streiks von 1978, als der Vorschlag zum ersten Mal aufkam, eine Partei des Volkes zu gründen und nicht eine für das Volk: “Von Unten nach Oben“ in Lulas Definition. Obwohl die Partei in ihrem Manifest nicht das Wort Sozialismus aufnahm, brachte die Partei Kämpfer*innen mit verschiedenen Tendenzen der Linken zusammen.

April 1980

Beginn des Streiks: 140.000 Metallarbeiter aus São Bernardo do Campo und Diadema verschränkten die Arme. Sie forderten eine echte Anpassung der Löhne um 15%, während die Unternehmen 3,6% anboten, sowie Instrumente um die Beschäftigung zu garantieren und den Arbeitspensum von 48 auf 40 Stunden pro Woche zu reduzieren.

Das Landesarbeitsgericht erklärte den Streik für illegal. Die Repression brach auf die Streikenden ein, mit demonstrativen Runden und Einsatz von Armeehubschraubern, um die Versammlungen im Stadion Vila Euclides zu überfliegen und einzuschüchtern. Lula, Marisa und die Kinder wurden ständig beobachtet.

Lulas Gewerkschaftsmandat wurde aufgehoben. Der Arbeitsminister Murilo Macedo griff zum zweiten Mal in die Strukturen der Gewerkschaft ein. Außer der Entlassung des gesamten Vorstandes der Gewerkschaft, wurde auch die Nutzung des Vila Euclides-Stadions für Versammlungen untersagt. Die Vorbeugungshaft Lulas und 16 anderer Gewerkschafter wurde angeordnet. Diese Maßnahmen machten die Arbeiter wütend und Lula wird zu einer Art Orakel für den gesamten Arbeiterkampf.

Lula wurde im Rahmen des „Gesetzes über die Nationale Sicherheit“ verhaftet. Um sechs Uhr morgens parkten drei Autos vor seinem Haus. Sechs bewaffnete Polizisten, darunter welche mit Maschinengewehren, klopften an die Tür und traten ein. Lula wurde in die Abteilung für Politische und Soziale Ordnung (DOPS) gebracht, wo er 31 Tage lang zusammen mit Genossen der Gewerkschaftsbewegung festgehalten wurde. Im Gefängnis trat er in den Hungerstreik, unterbricht ihn am siebten Tag auf Einwirken des Bischofs von Santo André, Dom Claudio Hummes. Auf Einladung des Bischofs fanden die Gewerkschaftversammlungen in der Mutterkirche von São Bernardo statt.

Mai 1980

Der Streik endete am 41. Tag, ohne Einigung, jedoch mit einem erheblichen politischen Gewinn. Obwohl in den Tagen nach dem Ende des Streiks fast 1.500 streikende Arbeiter entlassen wurden, wurde das Streikrecht zu einer nationalen Forderung, die Jahre später in der Verfassung von 1988 aufgenommen wurde.

Dona Lindu, 64, stirbt an Gebärmutterkrebs im Krankenhaus Beneficência Portuguesa de São Caetano. Am nächsten Tag wurde Lula von Romeu Tuma, dem damaligen Direktor von DOPS, autorisiert, das Gefängnis mit Eskorte zu verlassen, um zur Beerdigung seiner Mutter zu gehen. Die Menge, die bei der Beerdigung anwesend war, sammelte sich um das Polizeiauto herum und versuchte zu verhindern, dass Lula ins Gefängnis zurückkehren musste. Er selbst musste das Wort ergreifen und die Menge davon überzeugen, dass die Rückkehr in die Zelle umsichtiger sei denn eine Rebellion in diesem Moment gäbe nur einen Anlass für eine noch stärkere Unterdrückung.

Lulas Vorbeugungshaft wurde aufgehoben und er konnte nach São Bernardo zurückkehren, wo er mit Feier empfangen wurde. Als er zu Hause ankam, war seine erste Handlung, einen Käfig zu öffnen und einen Vogel freizulassen. Im selben Jahr wird Lula die Arbeiterpartei (PT) gründen. Im Februar 1981 wurde er vom Militärgericht zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. In Freiheit legt er Berufung ein und im Mai 1982 wurde das Urteil vom Obersten Militärgericht aufgehoben.

“Ich glaube, ich bin nur so weit gekommen, wegen der Treue zu meinen Zielen, die nicht nur die meinigen sind, sondern von Hunderten, Tausenden von Menschen.”

Lula wurde zum ersten Präsidenten der Arbeiterpartei (PT) gewählt.

Juni 1981

Als Führer und Sprecher der Arbeiterpartei (PT) reiste Lula durch Brasilien und die ganzen Welt. Zwischen 1980 und 1981 bereiste er mehr als zehn Länder. In den Vereinigten Staaten hatte er eine Audienz bei dem demokratischen Senator Ted Kennedy, dem Bruder des ehemaligen Präsidenten John Fitzgerald Kennedy. In Italien traf er Papst Johannes Paul II. und den polnischen Gewerkschaftsführer Lech Walesa, der 1983 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde und das Land zwischen 1990 und 1995 regierte.

Februar 1982

Zwei Jahre später erkannte das Oberstes Wahlgericht (TSE) die Gründung der Arbeiterpartei (PT) an und authorisierte sie, zu den Parlamentswahlen im gleichen Jahr anzutreten, bei denen Gouverneure, Senatoren, Bundes- und Landesvertreter sowie Ratsmitglieder und Bürgermeister aus dem Landesinneren gewählt werden. Die Bürgermeister der Hauptstädte wurden noch von den Gouverneuren ernannt. Lula trat als Kandidat für die Regierung von São Paulo (Gouverneur) und gliederte seinen Rufnamen (Lula) in den Nachnamen ein. Ab dann unterschrieb er Luiz Inácio Lula da Silva: Eine Maßnahme die erlaubte von den Wählern, die ihn nur als Lula kannten, leicht auf dem Wahlzettel wiedererkannt zu werden.

In einer Debatte während des Wahlkampfs fragt einer seiner Gegner, Rogê Ferreira von der Demokratischen Arbeiterpartei (PDT): „Was sind Sie denn? Kommunist, Sozialist oder was?” “Ich bin ein mechanischer Wender“, antwortete Lula.

November 1982

Für Lula stimmten 1.144.648 Menschen oder 10% der Wähler, der vierte Platz. André Franco Montoro von der Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung (PMDB) gewinnt die Wahl. Im ganzen Land gewinnt die PT acht Bundesabgeordnete, 12 Abgeordneten auf Landesebene, zwei Bürgermeister und 78 Ratsmitglieder.

August 1983

Lula war einer der Gründer der Central Única dos Trabalhadores (der größte gewerkschaftliche Dachverband Brasiliens), CUT, der während des 1. Nationalen Arbeiterkongresses ins Leben gerufen wurde. Die Veranstaltung brachte rund 5.000 Gewerkschaftsvertreter in São Bernardo do Campo zusammen.

November 1983

Auf dem Charles-Miller-Platz vor dem Pacaembú-Stadion in São Paulo, führte Lula die erste große Kundgebung für Direktwahlen durch. Der Reporter Ernesto Varela, Codename von Marcelo Tas, kommentierte die Veranstaltung:

“Die Freude an der Politik ist, dass man das Gefühl hat das Volk nimmt aktiv teil, die Menschen beginnen das Bewusstsein zu haben selbst die Dinge im Land verändern zu können.“

April 1984

Lula organisierte ein überparteiliches Komitee zugunsten von Direktwahlen. Die Kampagne wurde von den politischen Parteien, die sich gegen die Diktatur stellten, anerkannt und übernommen. Bis zum 25. April, als die Verfassungsänderung „Dante de Oliveira“ verabschiedet wurde, mobilisieren mehrere Demonstrationen und Kundgebungen Millionen von Brasilianer*innen in den großen Städten.

März 1985

Luís Cláudio, der jüngste Sohn von Lula, wird geboren.

November 1985

Fortaleza ist die erste Hauptstadt eines Bundeslandes, die einen PT-Bürgermeister gewählt hat. Übrigens, eine Bürgermeisterin: Maria Luiza Fontenele.

November 1986

Lula ist mit 651.763 Stimmen der am meisten in Brasilien gewählte Abgeordnete für die Verfassungsgebende Versammlung. In den folgenden zwei Jahren beteiligte er sich an der Ausarbeitung der Bundesverfassung von 1988 und trug dazu bei, dass die Aufnahme von Themen wie Streikrecht, Mutterschaftsurlaub von 120 Tagen und eine Wochenarbeitszeit von 44 Stunden (anstatt 48) in die Verfassung geschehen konnte.

Dezember 1987

Während der 5. Nationalversammlung der Arbeiterpartei (PT), die im Senatsgebäude in Brasília abgehalten wurde, wurde Lula als Kandidat der Partei für die Wahlen zur Präsidentschaft der Republik 1989 gekürt, die erste Wahl nach 29 Jahren ohne direkte Präsidentschaftswahl. Um sich der Wahlkampagne stärker zu widmen, übertrug er den Posten des Präsidenten der Partei dem Gewerkschafter Olívio Dutra aus dem Bundesland Rio Grande do Sul.

“Ich komme um Ihnen zu sagen, dass ich diese Herausforderung, die wichtigste meines Lebens, annehme. (…) Ich weiß nicht, ob ich in der Kampagne in der Lage sein werde, das Vertrauen zu erfüllen, das Sie in mich gesetzt haben. Nun, eines bitte ich meine Partei: Wir können nicht eine Kampagne machen mit Zweifeln darüber, welches soziale Segment wir vertreten. Wir müssen eine Klassenwahlkampf machen, um über die Interessen der Arbeiterklasse zu sprechen. Und wir müssen Kanten zeigen. Wir müssen die Widersprüche aufmischen. Wenn dies nicht der Fall ist, werden die Arbeiter unsere Kampagne nicht verstehen. Lasst uns kämpfen.”

Oktober 1988

Lula war der Hauptmobilisierer der Wahlkampagne der Arbeiterpartei (PT) für die brasilianischen Städteregierungen. Die Partei war in drei Hauptstädten siegreich: São Paulo (Luiza Erundina), Porto Alegre (Olívio Dutra) und Vitória (Vitor Buaiz). Insgesamt gewinnt die Partei in 36 Städten, darunter einiger wichtige wie Campinas und São Bernardo do Campo.

März 1989

Lula wurde Kandidat für die Wahlen zur Präsidentschaft der Republik. Er leitete die Koalition Frente Brasil Popular (Brasilianischer Volksfront), die von der PT, der Brasilianischen Sozialistischen Partei (PSB), dem Vizepräsidenten José Paulo Bisol und der Kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB) unterstützt wird. Seine Kampagne startete erfolgreich den Jingle “Lula lá“ (Lula dort). Auch bekannt als „Ohne Angst, glücklich zu sein” oder „Scheint ein Stern” (der Stern ist das Symbol der Arbeiterpartei), wurde das Lied in den darauffolgenden Kampagnen weiter verwendet. “Lula dort, es leuchtet ein Stern / Lula dort, die Hoffnung wächst / Lula dort, Brasiliens Kind / Mit der Freude, sich zu umarmen …”

Lula begann als Favorit angesehen zu werden. Die Kampagne war in den ersten Monaten durch Leonel Brizola von der PDT polarisiert, bis zum Auftreten der Kandidatur von Fernando Collor de Mello, dem selbstbetitelten “Maharajah-Jäger”, in der zweiten Hälfte des Jahres. Als Senator aus Alagoas (Bundesland) und Mitglied der kleinen Partei PRN (Partei des Nationalen Wiederaufbau), wird Collor von den nationalen Oligarchen, den Banken, den großen Industrien und den Medien, insbesondere vom Fernsehsender Rede Globo, unterstützt. Am Wahlkampf nehmen auch Mário Covas (PSDB), Paulo Maluf (PDS), Guilherme Afif Domingos (PL), Ulysses Guimarães (PMDB) und 15 weitere Kandidaten teil.

“Es gibt eine Art Kandidat, den ‚Xuxa*-Politiker’: Vor der Wahl, Küsschen Küsschen. Nach der Wahl, auf Wiedersehen, auf Wiedersehen.“

*Xuxa ist eine beliebte Moderatorin einer Kindersendung in Brasilien.

November 1989

Lula erhielt 11.622.673 Stimmen (16%) und ging in die Stichwahl gegen Collor (28,5%). Ab dann wurde seine Kandidatur von einem breiten Netzwerk fortschrittlicher Parteien unterstützt: PDT, PSDB, PV, PCB und Teil der PMDB sowie PT, PSB und PCdoB.

Dezember 1989

Der Unternehmer Abílio Diniz, Inhaber der Supermarktkette Pão de Açúcar (Zuckerhut), wurde in São Paulo entführt. Im Fernsehen wurden Bilder eines Entführers bekleidet mit einem T-Shirt der Lula-Kampagne gezeigt. Humberto Paz, der Entführer, sagte aus, dass er gefoltert und von der Polizei gezwungen worden sei, dieses T-Shirt zu tragen.

In einer anderen Episode, die von der Opposition verwendete wurde um den Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) zu besiegen, zeigte Fernando Collors vorletzte Wahlsendung ein Interview mit Miriam Cordeiro, Lulas Ex-Freundin, in dem sie aussagte, dass der Kandidat Lula, nachdem sie von ihm 1973 schwanger wurde, ihr Geld angeboten habe um eine Abtreibung vornehmen zu lassen und das Kind nicht anerkannt habe. “Ich kann keinen Mann unterstützen, der mein Leben kaputt gemacht hat”, sagte sie.

Das Interview wurde am nächsten Tag erneut in Jornal Nacional* beim Sender Globo gestrahlt. Miriam hätte 200.000 Neue Cruzados erhalten, was damals 24.000 USDollar entsprach, um diesen Auftritt vor der Kamera zu machen. Sichtbar erschüttert, erscheinte Lula neben seiner 15-jährigen Tochter am folgenden Tag in seinem letzten Programm:

“Ich werde Lurians Mutter nicht antworten, weil Lurian nicht das Ergebnis einer Geste des Hasses ist. Lurian ist das Ergebnis einer Liebesgeste. (…) Für mich zählt in Wirklichkeit nur die Meinung, die meine Tochter über mich hat. Und ich bin absolut sicher, dass sie ihren Vater besser beurteilen kann als alle anderen.”

Die letzte Debatte zwischen Lula und Collor fand statt. In den “besten Momenten” der Debatte, die im Jornal Nacional* in der Ausgabe des folgenden Tages gezeigt werden, wurde deutlich die Teilnahme des PRN-Kandidaten (Fernando Color de Mello) hervorgehoben. 22 Jahren später (2011), hat José Bonifácio de Oliveira Sobrinho, damaliger Generaldirektor des Senders Globo, in einem Interview zugegeben, dass der Sender Globo nicht nur die Sendung zugunsten von Roberto Marinhos (Eigentümer der Medienriesen Globo, A.d.Üb.) Favorit manipuliert hat. Der Sender hatte auch in dem Aufbau des Debatten mitgewirkt, indem es Collor leere Mappen übergab, von denen behauptet wurde, sie wären voll mit irgendwelchen Denunzierungen gegen Lula. “Ich hätte Collor sogar, wenn er es akzeptiert hätte, ein paar Schuppen auf auf die Schultern gestreut, damit er populärer wirkt”, sagte Oliveira.

*Jornal Nacional (Nationaler Zeitung) ist die TV Nachrichtensendung mit den meisten Zuschauer im Brasilien. Sie ist der größte Meinungsbilder des Landes, eine Art Tagesschau. (A.d.Üb.)

Lula wurde bei der Stichwahl besiegt und erhielt 31.076.364 Stimmen gegen 35 Millionen vom Gegenkandidaten. Collor bekam 53% der gültigen Stimmen und Lula 47%.

“Es hat sehr wenig gefehlt dafür, dass das Volk zum ersten Mal in unserer Geschichte die Regierung im Lande übernehmen konnte. Nichts wird aus meiner Erinnerung das großartige Schauspiel auslöschen können, bei dem das brasilianische Volk im Jahr 1989 Protagonist war: der Kampf um die Wiedererlangung der Hoffnung und der Würde des brasilianischen Volkes.”

Juli 1990

Lula gründete die Parallele Regierung, ein politischer Projekt, das von einer identischen Initiative der englischen Arbeiterpartei inspiriert wurde mit der Aufgabe, die von Collor verabschiedete Politik zu überwachen und alternative Vorschläge zu formulieren. Diese Struktur, die seit Ende 1989 informell tätig war, wird Jahre später zum „Institut der Bürgerschaft“ (Instituto da Cidadania) führen, in dem wichtige öffentliche politische Programme wie ,Null Hunger‘ formuliert wurden.

Juni 1992

Lula war die Hauptfigur der Opposition gegen die Regierung von Fernando Collor. Als Präsident der PT mobilisierte er die parlamentarische Fraktion und kämpfte darum, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, der Korruption, Bandenbildung, Veruntreuung von Geldern und Verwendung öffentlicher Mittel für persönliche Ausgaben untersuchen sollte. Zwei Kongressabgeordnete der Arbeiterpartei (PT) stellten den formellen Antrag auf die Einsetzung des Ausschusses: Eduardo Suplicy im Senat und José Dirceu im der Bundesabgeordnetenkammer. Basierend auf diesen Untersuchungen entsteht die Bewegung für Ethik in der Politik. Die “bemalten Gesichter” gehen auf die Straße und fordern die Amtsenthebung von Collor.

September 1992

Das Bundesparlament billigt die Amtsenthebung des ersten gewählten Präsidenten nach dem Ende der Diktatur. Umfragen zeigen, dass Lula zum Präsidenten gewählt werden würde wenn die Präsidentschaftswahlen zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hätten.

März 1993

Auf die Einladung von Itamar Franco (der Präsident Brasiliens nach der Amtsenthebung von Color, A.d.Üb.) um an die Regierung teilzunehmen, beschloß die PT jedoch keine Posten anzunehmen. Lula machte sich daran, eine nationale Bewegung zur Bekämpfung des Hungers zu organisieren. Das Ziel war die 32 Millionen Brasilianer die unter der Armutsgrenze lebten – jeder fünfte Mensch damals – in ein politisches Thema der ersten Größe umzuwandeln. Das Projekt zur Umsetzung einer nationalen Politik zur Sicherung der Ernährung inspirierte die Kampagne ‚Nationale Aktion gegen Hunger, Elend und für das Leben‘, die auch “Betinho Kampagne“ genannt wurde, weil sie vom Soziologen Herbert de Souza in der Öffentlichkeit und in den Medien durchgeführt wurde.

Die Parallele Regierung wird in das Instituto Cidadania (Institut der Bürgerschaft) umgewandelt. In den folgenden Jahren, bis zur Wahl von Lula, hat diese zivile Entität wichtige Projekte der öffentlichen Politik in Bereichen wie Wohnraum, öffentliche Sicherheit, Sicherung der Ernährung und Energie geschaffen.

April 1993

Es fand eine Volksabstimmung statt, um die Form (Monarchie oder Republik) und das Regierungssystem (Präsidialsystem oder Parlamentarismus) in Brasilien zu definieren. Obwohl viele Mitglieder den Parlamentarismus bevorzugen, beschloß die Arbeiterpartei (PT) den den Präsidentialismus zu unterstützen, der dem Präsidenten theoretisch größere Macht verleiht, vertrauend darauf, dass Lula im folgenden Jahr die Wahlen gewinnen werden würde.

In Garanhuns (Lulas Geburtsort) startete Lula die erste ‚Karawane der Bürgerschaft‘. Sein Interesse war, Brasilien und die Hauptprobleme der ärmsten und am meisten ausgegrenzten Brasilianer besser kennenzulernen. Seine Reise holte wieder ins öffentliche Bewusstsein dringende Probleme wie Landkonflikte, Hemmnisse für die landwirtschaftliche Produktion, Dürre und Elend. Bis Juli des folgenden Jahres hatten Lula und sein Team sieben „Karawanen“ durchgeführt, mit sieben verschiedenen Routen, die die fünf Regionen Brasiliens auf insgesamt 40.000 Kilometern durchreisten. Das US-Magazin Newsweek veröffentlichte einen ausführlichen Bericht über die Initiative. Intuitiv bereitete sich Lula darauf vor, im nächsten Jahr erneut für die Präsidentschaft zu kandidieren.

“Die dominierenden Klassen haben den Blick auf Europa und den Hintern auf Brasilien gerichtet.”

September 1993

Oppositionsführer Lula verstärkte das Anprangern der Vorwürfe gegen “Budget-Zwerge”, Kongressabgeordnete die beschuldigt waren ein System von Bestechungsgelder für den Beschluss von Verfassungsänderungen gemacht zu haben.

„Es gibt eine Minderheit im Parlament die sich um das Land kümmert und arbeitet. Es gib aber eine Mehrheit von 300, die nur ihre eigenen Interessen verteidigen.”

Seine Erklärung, die die Eröffnung eines Parlamentarischen Ausschusses zur Untersuchung der Vorwürfen gegen die sogenannten „Budget-Zwerge” forderte, inspirierte Herbert Vianna von der Band Paralamas do Sucesso, den Song „Luiz Inácio (300 Betrüger)“ zu schreiben. Das Lied wird 1994 veröffentlicht und gleich zensiert. “Luiz Inácio sprach, Luiz Inácio warnte / Es gibt 300 Betrüger mit einem Doktorring am Finger”, sangen sie.

Lula wurde für die Wahlkampf des folgenden Jahres als unschlagbar erachtet und führte regelmäßig Gespräche mit den Verantwortlichen der PSDB, um eine mögliche Allianz im kommenden Wahlkampf zu knüpfen. Nach einem dieser Gespräche gilt Tasso Jereissati als Lulas Stellvertreter als sicher. Die PT-PSDB-Allianz brach jedoch ein paar Monate später zusammen, mit dem Aufkommen der Vorkandidatur des damaligen Ministers Fernando Henrique Cardoso, der von den Tukanen (Tucanos: so werden die Anhänger der PSDB genannt, A.d.Üb.) von São Paulo ins Leben gerufen wurde.

Juni 1994

Lula stellte sich zum zweiten Mal als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen. Sein Hauptgegner war der Soziologe Fernando Henrique Cardoso. Als Finanzminister Itamar Francos trat er die Wahlkampf als “Vater des Realplans“**. Der Plano Real hat die Inflation erfolgreich kontrolliert, indem er den Dollar als Rückgrat für die Schaffung einer Übergangswährung, die Echte Werteinheit (URV), verwendete. Die URV, Vorläufer des Real, wurde am 1. Juli eingeführt. Als Kandidat für die PSDB bekam Fernando Henrique – der 1978 von Lula selbst als Kandidat für den Senat unterstützt wurde und 1979 an Sitzungen der Arbeiterpartei (PT) teilgenommen hatte – von allen Sektoren die zu diesem Zeitpunkt einen Sieg Lulas fürchteten, Unterstützung.

**Plano Real: Der Plano Real war ein Satz von Maßnahmen, die getroffen wurden, um die brasilianische Wirtschaft Anfang 1994 zu stabilisieren. Lesen Sie hier mehr: https://de.wikipedia.org/wiki/Plano_Real

Mit einer großen Menge an Material, das während der Karawane der Bürgerschaft in dem Jahr davor auf Video aufgenommen worden war, und berühmt für die Organisation von überfüllten Kundgebungen mit der Teilnahme mehrerer Künstler, wurde Lula von einem im Parlament – auf Initiative der PSDB und der PFL, seine Gegner – verabschiedeten Gesetz überrascht: In diesem Jahr wurde es verboten, externe Szenen in den Wahlsendungen zu zeigen.

Aufgrund der Kampagne verließ Lula die PT-Präsidentschaft erneut und wurde durch Rui Falcão ersetzt. Bei der 10. Nationalversammlung der Arbeiterpartei (PT), die im folgenden Jahr in Guarapari (Stadt im Bundesland Rio de Janeiro) stattfand, wurde José Dirceu zum Präsidenten der PT gewählt. Seitdem wirkt Lula als “Ehrenpräsident“. Vorwürfe gegen José Paulo Bisol, der 1989 Vizepräsidentschaftskandidat war und 1994 wieder aufgestellt wurde, erzwangen bereits während der laufenden Kampagne die Bildung einer neuen Aufstellung. Der damalige Abgeordnete Aloizio Mercadante trat an Bisols Stelle.

Oktober 1994

Im ersten Wahldurchgang erhielt Lula 18% der Stimmen und wird von FHC (Fernando Henrique Cardozo) geschlagen, dermit 36% gewählt wurde. Die Summe der anderen Kandidaten erreichte nicht einmal 18% der Wählerschaft. Zum ersten Mal stellte die PT Gouverneure: Vítor Buaiz in Espírito Santo und Cristovam Buarque in Brasília.

Oktober 1996

Bei den Kommunalwahlen gewann die PT 187 Gemeinderegierungen (im Vergleich zu 54 von 1992). Darunter zwei Landeshauptstädte: Porto Alegre mit Raul Pont und Belém mit Edmilson Rodrigues.

Mai 1997

Das Unternehmen Vale, damals Vale do Rio Doce, wurde privatisiert. In einer vor Gericht angefochtenen Auktion, erwarb das von der CSN geführte Konsortium Brasil einen beherrschenden Anteil am Unternehmen für 3,3 Mrd. R$ (20% Bonus gegenüber dem Mindestpreis). In der Opposition verurteilte Lula nicht nur die Privatisierung, sondern auch den dafür bezahlten Preis. Nur im Jahr 1999 erwirtschaftete das Unternehmen einen Gewinn von 1,21 Milliarden US-Dollar. Dies entsprach einem Drittel des gesamten Kaufgeldes. Die Kritik an die von Fernando Henrique Cardoso geführten Privatisierungspolitik wurde zu einer der Säulen der PT. Zwischen 1997 und 2002 wurden nach Angaben von IBGE (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística – Brasilianisches Institut für Geographie und Statistik), 133 brasilianische Staatsunternehmen privatisiert. Die Option für die Privatisierung staatseigener Unternehmen folgte dem Washington-Konsens, einer Art neoliberaler Verordnung, die vom IWF als eine ihrer zehn Säulen verabschiedet und den Entwicklungsländern empfohlen wurde. Lula verurteilte auch die Gründung von PROER, einem Programm zur Unterstützung von Banken und Finanzinstituten, die mit der Währungsstabilität in die Krise gekommen waren, da die meisten von der Inflation abhingen um Geld zu verdienen. Zwischen 1995 und 2000 wurden öffentliche Gelder in Höhe von rund 30 Mrd. R$ für staatliche Kreditlinien bereitgestellt, um Banken wie National, Econômico und Bamerindus vor dem Bankrott zu retten und einen angeblichen Zusammenbruch des Finanzsystems zu vermeiden. Fusionen und Privatisierungen von Landesbanken, von denen viele schwerwiegende Probleme bei der Rechnungslegung hatten, wurden durch das Programm gefördert.

Juni 1997

Der Senat stimmte einer Verfassungsänderung zu, die die Wiederwahl von Präsidenten, Gouverneuren und Bürgermeistern vorsieht. Die Punktzahl steht für 62 Stimmen bei 14 Gegenstimmen und ist die Wiederholung der im Januar in der Bundesabgeordnetenkammer erlangten großen Mehrheit: 369 X 111. Die Entscheidung galt bereits für die Wahl des folgenden Jahres, was den damaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso begünstigte. Vorwürfe und Geständnisse entstehen, dass Abgeordnete ihre Stimmen zugunsten der Regierung verkauft hätten.

Juli 1998

Das Telebrás-System (Brasilianische Telekommunikation AG) wird durch eine Auktion privatisiert.

Oktober 1998

Nachdem Lula das ganze Jahr 1997 hindurch gesagt hatte, dass er nicht kandidieren würde, gab er den Appellen der Partei nach und stellte sich für die Präsidentschaftswahl zum dritten Mal auf. Er verlor erneut gegen Fernando Henrique Cardoso in der ersten Runde. Die Anzeigetafel zeigt 53% gegenüber 32%. Ciro Gomes von PPS ist mit 11% der Stimmen Dritter. Die PT gewinnt in drei Bundesländern die Wahl zum Gouverneur: Olívio Dutra in Rio Grande do Sul, Zeca do PT in Mato Grosso do Sul und Jorge Viana in Acre.

Januar 1999

Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit führte FHC (Fernando Henrique Cardoso) eine andere Politik als die davor versprochene in Bezug auf die brasilianische Währung ein: Die Zentralbank übernahm ein System des variablen Wechselkurses, also kontrollierte ihn nicht mehr. Bis zum Jahr 2000 wurde die Währung eine beispiellose Zeit der maximalen Abwertung durchmachen, was die These bestätigte, dass der künstlich äquivalente gehaltenen Wechselkurs gegenüber dem Dollar dank hoher Zinssätze und geringen Produktionsinvestitionen um jeden Preis aufrechterhalten worden war, mit dem ausdrücklichen Ziel, eine Wiederwahl Cardosos zu gewährleisten. Krisen in Asien, Russland und Argentinien Ende der neunziger Jahre untergraben die Handelsbilanz Brasiliens und trugen aufgrund sinkender Exporte zur Senkung der Rohstoffpreise bei. Die Regierung verlor an Popularität und Lula wurde als Favorit für die Wahl 2002 angesehen.

Oktober 2000

Bei den Kommunalwahlen war die Arbeiterpartei (PT) zum ersten Mal seit ihrer Gründung die am meisten gewählte Partei in ganz Brasilien. Sie gewann in 187 Städten, darunter São Paulo (Marta Suplicy), Recife (João Paulo), Porto Alegre (Tarso Genro), Goiânia (Paulo Wilson), Aracaju (Marcelo Déda) und Belém (Edmilson Rodrigues). Die Anzahl der Vertreter bei den Kommunen sprang von 1895 auf 2485 und zeigte, dass die PT die Reife für den Sieg bei der Präsidentschaftswahl erreicht hat.

Januar 2002

Der Bürgermeister von Santo André, Celso Daniel, wurde ermordet. Persönlicher Freund Lulas, war er von diesem ausgesucht worden, um seinen Regierungsplan zu koordinieren. Nach der Tragödie wurde seine Funktion von Antonio Palocci, im zweiten Mandat Bürgermeister von Ribeirão Preto und ehemaliger Präsident der PT im Bundesland São Paulo, übernommen.

März 2002

Im PT fanden Vorwahlen für den Kandidaten statt. Senator Eduardo Suplicy aus São Paulo bewarb sich gegen Lula. Der Gewerkschafter Lula erhielt 80% der Stimmen und wurde zum Präsidentschaftskandidaten der Partei. Lula stellte zwei Bedingungen: Er stünde als Kandidat zur Verfügung, nur wenn die PT bereit wäre, breite Allianzen einzugehen um Vertreter verschiedener Gesellschaftsbereiche, einschließlich derjenigen die traditionell ablehnend gegenüber der Partei standen, einzubeziehen. Außerdem verlangte er für den Posten des Vizepräsidenten einen Kandidaten, der mit den Unternehmern verbunden sei.

Als Kandidat für diesen Posten wurde José Alencar Gomes da Silva offiziell gekürt. Dieser Stellvertreter war ein Unternehmer aus Minas Gerais (Bundesland), Industrieller im Textilsektor und ehemaliger Präsident der Industrieverband von Minas Gerais. Das Duo wurde als praktische Allianz zwischen dem Kapital und der Arbeit gefeiert. Die Biografien der beiden hatten Gemeinsamkeiten: sie hatten eine arme Kindheit, fingen früh an zu arbeiten, hatten keine höhere Bildung und wurden Gewerkschaftsführer, jeder auf seine Weise: einer, der die Arbeiter vertritt; der andere die Arbeitgeber. Um als Kandidat auftreten zu können, hatte Alencar die PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro) gegen die Liberal Partei (PL) eingetauscht, eine konservative Partei mit starker evangelikaler Identifikation.

Juni 2002

In einem Treffen, das zur Veröffentlichung seines Regierungsprogramms berufen wurde, las Lula den berühmten Brief an das brasilianische Volk. Er wurde geschrieben, um die Märkte zu beruhigen und seine potentielle Wählergruppe zu erweitern, und offenbarte ein gemäßigteres Gesicht von Lula. In dem Brief verpflichtete sich Lula, Verträge einzuhalten, einschliesslich die über die Auslandsverschuldung und Vereinbarungen mit dem IWF. In dem Schreiben wurde auch die Verpflichtung des Kandidaten zur Aufrechterhaltung der Inflationskontrolle hervorgehoben. Gleichzeitig wurde in dem Schreiben das Wirtschaftsmodell kritisiert, das für die Stagnation und die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht wird.

“Das neue Modell kann nicht wie heute das Ergebnis einseitiger Regierungsentscheidungen sein und es wird auch nicht per Dekret regiert werden. Das neue Modell wird das Ergebnis einer breiten nationalen Verhandlung sein, die zu einem echten Bündnis für das Land und einem neuen Sozialvertrag führen sollte, der in der Lage ist, stabiles Wachstum zu gewährleisten. Voraussetzung für diesen Übergang ist natürlich die Einhaltung der Verträge und Verpflichtungen des Landes.”

September 2002

Die Wahlkampagne begann. Den Empfehlungen seines PR-Teams folgend, nahm Lula ein neues Aussehen an. Er pflegte wöchentlich seinen Bart, trug bei fast jedem Termin einen dunkelblauen Anzug und eine rote Krawatte, lächelte mehr und schreite weniger: Die Presse bezeichnete ihn als “Lulachen Friede und Liebe„.

Oktober 2002

Lula gewann die erste Runde mit doppelt soviel Stimmen wie José Serra (PSDB), der den zweiten Platz erreichte (46,4% der Stimmen gegen 23,2%).

In der Stichwahl wurde Lula genau an seinem 57. Geburtstag zum Präsidenten der Republik gewählt. Er erhält 52.793.364 Stimmen oder 61,3% der Wähler, gegenüber 38,7% für José Serra. In der Avenida Paulista waren ungefähr 150.000 Menschen zur Feier des Sieges zusammen gekommen. Die Menge sang dem gewählten Geburtstagskind das Geburtstagslied “Glückwunsch an Sie”. In seiner Rede huldigte Lula seiner Mutter, PT-Gründern wie Mário Pedrosa und Sérgio Buarque de Holanda, berühmten Parteimitgliedern wie Chico Mendes und Carlito Maia und Genossen wie Henfil, Paulo Freire, Betinho, João Amazonas, Celso Daniel und Toninho.

“Ich möchte, dass ihr alle wisst, dass Zé Alencar und ich und die Regierung die wir einrichten werden, von Sonntag bis Sonntag rund um die Uhr arbeiten werden, damit wir alles erreichen können, was wir in dieser Kampagne versprochen haben. (…) Wir müssen sicherstellen, dass jeder Mann und jede Frau, egal wie arm sie sind, das Recht haben, morgens zu frühstücken, zu Mittag und jeden Tag zu Abend zu essen. Wir müssen den Menschen das Recht auf Wohnen garantieren. Wir müssen den Menschen das Recht garantieren, Mitbürger zu sein.”

Dezember 2002

Lula wurde als 36. Präsidenten der Republik am Obersten Wahlgericht vereidigt. Er hielt eine gefühlvolle Rede und konnte die Tränen nicht halten. Er war der erste Präsident des Landes der aus der Arbeiterschaft kam.

“Wenn es in Brasilien jemanden gab, der bezweifelt hat, dass ein Mechaniker aus einer Fabrik die Präsidentschaft der Republik erreichen konnte, dann hat 2002 das Gegenteil bewiesen. Und ich, der so oft beschuldigt wurde, kein höheres Diplom zu haben, habe als erstes Diplom in meinem Leben, das Diplom des Präsidenten der Republik meines Landes erworben.”

PRÄSIDENT

Januar 2003

Lula erhielt die Präsidentenschärpe von Fernando Henrique Cardoso. Während der Zeremonie geriet der abtretende Präsident in Schwierigkeiten mit der Schärpe und ließ, als er sie ablegte, seine Brille fallen. Sofort bückte sich der neue Präsident, um die Brille aufzuheben und gab sie kurzerhand seinem Vorgänger zurück. Zum ersten Mal war ein Arbeiter in der Präsidentschaft der Republik. Lula war auch der erste gewählte zivile Präsident der in Pernambuco geboren wurde, der erste ohne Universitätsabschluss und der erste einer linken Partei. Lula fuhr mit dem offiziellen Rolls Royce durch die Straßen der Ministerien in der Hauptstadt Brasília, zuerst neben José Alencar und dann mit der Ersten Dame Marisa Letícia. In seiner ersten Rede schlug er einen neuen Sozialpakt vor, versprach eine Agrarreform, bestätigte sein Engagement für die Produktion und die Schaffung von Arbeitsplätzen und bekräftigte, dass der Kampf gegen den Hunger sein Hauptziel ist. Von Anfang bis Ende unterstrich er das Gefühl der Veränderung, die durch seinen Sieg begann.

“Veränderung: Dies ist das Schlüsselwort, das war die großartige Aussage der brasilianischen Gesellschaft bei den Wahlen im Oktober. Die Hoffnung hat endlich die Furcht besiegt und die brasilianische Gesellschaft hat entschieden, dass es an der Zeit sei, neue Wege zu beschreiten. (…) Deshalb hat mich das brasilianische Volk zum Präsidenten der Republik gewählt: um zu verändern. Dieser war der Sinn jeder Stimme die ich und mein tapferer Begleiter José Alencar erhalten haben. (…) Heute ist der Tag, an dem sich Brasilien wieder findet.“

Lula nahm die Hälfte seiner Minister mit auf eine Reise durch die armen Regionen des Nordostens und Minas Gerais. Bei der Route waren dabei Orte wie die Favela Irmã Dulce in Teresina, die Pfahlbausiedlung von Recife und die Stadt Itinga im Jequitinhonha-Tal zu sehen. Damit sollte sichergestellt werden, dass sein Team das Elend kennen lernte und verstehen konnte wie wichtig es ist, öffentliche Politik zur Einkommensverteilung zu priorisieren.

Lula wählte sein offizielles Porträt. Auf dem Foto erscheinte er lächelnd mit der Nationalflagge im Hintergrund und ohne die Präsidentenschärpe. Vor ihm hatte nur Itamar Franco ohne die gelbgrünen Schärpe posiert. In seiner zweiten Amtszeit wird Lula die Tradition des Porträts mit der Band jedoch wieder aufnehmen werden.

Lula war der erste Präsident der Republik, der beim dem Weltsozialforum in Porto Alegre eine Rede hielt. Bei dem dritten Treffen des Forums, sagte er:

“Regieren ist wie ein Marathon: Sie können nicht bei 80 Km pro Stunde beginnen, weil Ihr Atem in der ersten Kurve enden kann. Sie müssen solide und konkrete Schritte unternehmen, um die Regierung mit der Gewissheit einer erfüllten Pflicht beenden zu können.”

“Mehr als zehn Jahre nach dem Sturz der Berliner Mauer gibt es immer noch Mauern. Mauern, die diejenigen die essen können von den hungernden trennen, die die Arbeit haben von den Arbeitslosen, diejenigen die im Komfort wohnen von denen die auf der Straße oder in elenden Slums leben müssen, diejenigen, die Zugang zur Bildung und zum kulturellen Erbe der Menschheit haben von denen die in Analphabetismus und absoluter Entfremdung leben.”

Institutioneller Start des Programms „Fome Zero“ (Null Hunger).

“Heute machen wir einen großen Schritt. Und ich weiß, dass es ein langer Weg sein wird bis wir unser Ziel erreichen. Der Hunger wird nicht über Nacht oder nur mit vereinzelten Maßnahmen der Regierung besiegt werden. Der Sieg gegen den Hunger wird in den nächsten vier Jahren von uns allen viel Anstrengung, viel Beharrlichkeit, viel Mut und Engagement erfordern.”

Mai 2003

Joaquim Barbosa wurde von Lula als Richter für das Oberste Verfassungsgericht (STF) empfohlen. Bis zum Ende seiner achtjährigen Amtszeit ernannte Lula sieben weitere Richter, womit er zu dem Präsidenten geworden war, der nach der Diktatur die meisten Richter des STF ernannt hat: Eros Grau, Carlos Alberto Menezes Direito, Ayres Britto, Carmen Lúcia, Ricardo Lewandowski, Cezar Peluso und Dias Toffoli. Joaquim Barbosa promovierte an der Universität von Sorbonne (Frankreich) und war Staatsanwalt des Bundesministeriums, bevor er als erster schwarzer Brasilianer STF-Minister wurde. Jahre später, bereits als Präsident des Kollegiums, wurde er eine hervorgehobene Rolle bei dem Prozess spielen, der als “mensalão” bekannt wurde und zu der Verurteilung von Mitgliedern der Lula-Regierung und Führern der PT führte.

Juli 2003

Lula empfang Führer des MST (Movimento dos Sem Terra, Bewegung der Landlosen) im Planalto-Palast (Sitz der Exekutive). Er trug bei dem Gespräch eine Kappe der Bewegung, bestätigte sein Engagement für eine Agrarreform und sagte, dass die Invasionen die von den Landlosen gemacht werden, den Prozess behinderten.

Oktober 2003

Lula vereinte soziale Programme wie Fome Zero (Null Hunger) mit anderen und schaffet das Bolsa Família-Programm (Familienbeihilfe), das ab dem ersten Monat 3,6 Millionen Familien zugute kam und zum Flaggschiff der Regierung werden wurde.

November 2003

Startete das Programm Luz para Todos (Licht für Alle), ein Program um Zugang zu elektrischem Strom zu ermöglichen, das bis 2014 mehr als 3 Millionen Menschen in ländlichen Gebieten erreichte und dieses Recht unter den ärmsten Bevölkerungsgruppen verankerte.

Januar 2004

Die PMDB trat formell der Allianz mit der Regierung bei und garantierte damit die Regierungsmehrheit im Parlament. Die Regierung Lulas musste in ihrem ersten Jahr die Unterstützung von kleineren Parteien für jedes Gesetz neu aushandeln.

Februar 2004

Die Zeitschrift Época veröffentlichte die erste schwerwiegende Klage gegen die Lula-Regierung. Waldomiro Diniz, damals stellvertretender Chef der Parlamentarischen Angelegenheiten und Berater des Ministers des Zivilhauses (Ähnlich dem Bundeskanzleramt, A.d.Üb.) José Dirceu, wurde beschuldigt, eine Verbindung mit dem Geschäftsmann und bicheiro (Mitglied des Jogo do Bicho, Spiel der Tiere, eine Mafia des illegalen Spiels mit dem gleichen Namen, A.d.Üb.) Carlinhos Cachoeira zu haben. In einem von Cachoeira selbst veröffentlichten Video wurde er von Diniz erpresst. Die Gelder sollten für die Kampagnen der PT in Rio de Janeiro verwendet werden und Diniz wiederum würde den Unternehmer Cachoeira in einem öffentlichen Ausschreibung unterstützen. Da die Unterstützung nicht kam, veröffentlichte Cachoeira das Video.

Zum Jahresende verzeichnete das brasilianische BIP ein Wachstum von 5,2%, ein überraschendes Ergebnis im Vergleich zu einem Wachstum von 0,5% im Vorjahr. Das maximale Wachstum, das in den acht Jahren der Regierung von Fernando Henrique Cardoso erzielt wurde, lag im Jahr 2000 bei 4,4%. Lula übernahm die Regierung eines Landes das 2003 die 13. Weltwirtschaft war und acht Jahre später, als er die Regierung Brasiliens übergab, war das Land die 7. größte Wirtschaft der Welt.

Januar 2005

Lula startete das Programm Universidade para Todos – ProUni (Universität für Alle), das vom Bildungsministerium ins Leben gerufen wurde, um Jugendlichen mit geringem Einkommen den Zugang zu höherer Bildung durch Stipendien an privaten Universitäten zu erleichtern. Bis zum Ende der zweiten Regierung Lulas profitierten 750.000 Studenten davon.

Juni 2005

In einem Interview in der Zeitung Folha de São Paulo beschuldigte der Abgeordnete Roberto Jefferson, der Präsident der PTB, die Regierung, monatliche Zahlungen an Abgeordneten zu leisten, damit diese für Gesetzesentwürfe im Sinn der Regierung stimmten. Ein neues Wort ging durch die Nachrichten: mensalão, geschaffen aus den Worten monatlich und Lohn. Dies war der Beginn der größten Krise in der Regierung Lulas.

José Dirceu, Ministers des Zivilhauses (Chef des Bundeskanzleramtes), trat von seinem Amt zurück nach Vorwürfen, dass er der Koordinator von diesen mensalão sei. Innerhalb von vier Tagen wurde er, der starke Mann in Lulas Regierung, von der starken Frau in der Regierung ersetzt: Dilma Rousseff, bis dahin Ministerin der Minen und Energie.

Dezember 2005

Brasilien hat seine Schulden beim IWF begliechen.

Februar 2006

Zum ersten Mal seit dem Mensalão-Skandal führte Lula in den Wahlumfragen, lag in jedem möglichen Szenario in beiden Durchgängen über seinen Wahlgegnern. Er wurde wieder zum Favoriten für die Wahl.

März 2006

Der Finanzminister Antonio Palocci ist gefallen. Er wurde verdächtigt, das Bankgeheimnis eines Hausmeisters, Francenildo Costa, verletzt zu haben, der Vorwürfe gegen ihn aufbrachte, er soll wiederholt ein Herrenhaus in Brasilia aufgesucht haben um verdächtige Abkommen mit Lobbyisten zu treffen. Er wurde durch Guido Mantega ersetzt, der die Hoffnungen auf bedeutende Veränderungen in der Wirtschaft enttäuschte. Er erklärte, dass die Grundlinien vom Präsidenten allein definiert werden. „Lula ist der einzige Garant der Wirtschaftspolitik“, erklärte er.

Brasilien schafft in den Weltraum zu fliegen. Marcos Pontes wird der erste Brasilianische Astronaut, der in einer zehntägigen Mission die internationale Weltraumstation betritt. Er war von der EAB, der Brasilianischen Weltraumagentur und der NASA dazu ausgewählt worden.

Oktober 2006

Bei der ersten Wahldurchgang erhielt der Kandidat der PSDB, Geraldo Alckmin, 41,6% der Stimmen und enttäuschte die Erwartung eines Wahlsieges Lulas im ersten Durchgang. Lula, der bei der letzten Wahldebatte abwesend war, ist der Bestplatzierte mit 48,6 % der Stimmen.

Lula wurde mit mehr als 58 Millionen bzw. 60,8% der Stimmen wiedergewählt. In absoluten Zahlen gerechnet, war dies das höchste Wahlergebnis, dass je in der westlichen Welt von einem Staatschef erreicht wurde. Den früheren Rekord hielt Ronald Reagan, der 1984 mit 54,5 Millionen Stimmen zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Alckmin erhielt nur 39,1% der Wählerstimmen, das heißt weniger als im ersten Durchgang.

Nach den Statistiken belief sich die Inflation auf 3,14%, die geringste seit 1998. Im Jahr 2002, am Ende der vorherigen Regierung, lag die Inflationsrate bei 12,5%. Diesem bemerkenswerten Ergebnis wurde in der Regierung gefeiert und erhöhte die Zustimmung für die Wirtschaftspolitik.

Januar 2007

An einem regnerischen Tag trat Lula sein Amt an. In seiner Ansprache definieret er die Prioritäten für die nächsten vier Jahre: Fortschritt, Wachstum und Eingliederung.

Die Regierung beschloß das Programm PAC, Programm zur Beschleunigung des Wachstums, ein Maßnahmenpaket das Kreditmöglichkeiten, Förderung der Direktinvestitionen und Investitionen in die Infrastruktur, vor allem im sozialen Bereich wie Wohnraumbeschaffung, Abwasserbeseitigung und Transportmittel vorsah. Das Ziel war, dieses Programm zum Schwerpunkt der zweiten Regierungsperiode zu machen, so wie die Familienbeihilfe die Haupterrungenschaft der ersten vier Jahre gewesen ist.

März 2007

Der Amerikanische Präsident George W. Bush besuchte Brasilien. Gemeinsam mit Lula verkündete er ein technisches Kooperationsabkommen für die Produktion von Alkoholtreibstoff.

Juni 2007

Bovespa (Bolsa de Valores do Estado de São Paulo, Börse des Bundeslandes São Paulo) beendete das erste Halbjahr mit einer Wertsteigerung von 22%, der höchsten seit 1999.

August 2007

Das Oberstes Bundesgericht akzeptierte alle Aussagen gegen die Verdächtigen im Mensalão-Skandal, insgesamt sind es 40 Angeklagte.

Oktober 2007

In Zürich bestätigte die FIFA Brasilien als Standort der Fußballweltmeisterschaft 2014. Keine Überraschung, Brasilien war der einzige Kandidat.

November 2007

Große Erdölfunde im Atlantik wurden bekanntgegeben. Die Ölreserven finden sich zwischen Bacia de Campos im Norden und Bacia de Santos im Süden und werden auf 2 Milliarden Barrels geschätzt.

März 2008

Bei der Eröffnungsfeier von PAC-Bauten im „Deutschen Komplex“* in Rio de Janeiro stellt Lula Dilma Rousseff als die „Mutter des PAC“ vor. Die Ministerin des Bundeskanzleramtes (ministra-chefe da Casa Civil) erscheint als die mögliche Nachfolgekandidatin der Arbeiterpartei (PT).

** Programa de Aceleração e Crescimento, PAC: Beschleunigungs- und Wachstumsprogramm. (A.d.Üb.)
** Complexo do Alemão, „Komplex des Deutschen“: bekannte Favela in der Stadt Rio de Janeiro, Bundesland Rio de Janeiro. (A.d.Üb.)

Mai 2008

Marina Silva, Umweltministerin seit Beginn des ersten Mandates, trat zurück, angeblich wegen fehlende politische Unterstützung, und übte Kritik an die Entwicklungsprogrammen der Regierung. Sie wurde von Carlos Minc ersetzt. Im August des darauffolgenden Jahres wird sie offiziell die Arbeiterpartei (PT) verlassen und in die Opposition gehen. Sie wurde Kandidatin der Grünen bei der Präsidentschaftswahl 2010.

September 2008

Lula nahm teil an der ersten symbolischen Erdölforderung im Ozean auf einer Ölplattform in Campo de Jubarte, Bundesland Espírito Santo und tauchte seine Hände ins Erdöl.

„Ich habe es genossen, meine Hände in dieses Öl zu tauchen, es ist ein einzigartiges Gefühl für einen Menschen, der das Privileg hat, in diesem Moment der Präsident dieses Landes zu sein (…) Wenn man sich überlegt, wie viel Erdöl bis 2017 gefördert werden kann, so übersteigt das 2 Billionen Reals, die in die brasilianisch Wirtschaft investiert werden können“

November 2008

Barack Obama wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt.

Die Bank von Brasilien übernahm die Bank „Unsere Kasse“ und wurde wieder zum größten Bankinstitut Brasiliens. Einige Wochen davor, am 3. November, war sie durch die Fusion der Itaú und der Unibanco entthront worden.

Dezember 2008

In einer öffentlichen Ansprache, zeigte Lula sich sehr erfreut, dass Brasilien die Weltwirtschaftskrise fast unbeeinträchtigt überstanden habe und gab als Grund dafür Maßnahmen seiner Regierung, wie die Steigerung des Mindestlohns, die Verringerung der Arbeitslosigkeit und die Devisenreserven an. „In vorherigen Krisen war die brasilianische Wirtschaft in wenigen Tagen zusammen gebrochen und das Land musste den IWF zu Hilfe rufen. Dieses Mal ist Brasilien nicht zusammengebrochen und wird es auch nicht. Das Land durchsteht die Situation erhobenen Hauptes. Während die meisten entwickelten Länder in die Rezession gleiten, wird Brasilien weiter wachsen.

„Wenn Ihr Schulden habt, müsst Ihr zunächst Euer Budget ausgleichen. Aber wenn Ihr Geld übrig habt, oder den dreizehnten Monatsgehalt bekommt, und wollt einen Kühlschrank oder einen Herd kaufen, oder das Auto wechseln, verzichtet nicht aus Angst vor der Zukunft auf Euren Traum. Denn wenn Ihr nicht kauft, verkauft das Geschäft nicht. Und wenn der Händler nicht verkauft, bestellt er nicht mehr in der Fabrik. Und so produziert die Fabrik weniger, und über kurz oder lang können Eure Arbeitsplätze wegfallen. Wenn Ihr etwas kauft, so macht ihr nicht nur Euren Traum wahr. Ihr tragt auch dazu bei, dass das Rad der Wirtschaft weiter rollt. Und das ist gut für Alle.“

März 2009

Die STF hielt an der kontinuierlichen Abgrenzung des Reservats Raposa Serra do Sol im Bundesland Roraima fest, was einen bedeutenden Sieg der Indigene und der Umweltschützer gegen die Großgrundbesitzer darstellte. Dieser Gerichtsbeschluss bestärkte die Politik Lulas zum Schutz der Eingeborenen.

Das Programm „Mein Haus, mein Leben“ (Minha Casa, Minha Vida) startete mit Finanzierung der Caixa Econômica Federal (eine Art Bundessparkasse, A.d.Üb.). Das Projekt sollte in seinem ersten Abschnitt, in Partnerschaft mit Gemeinden und Bundesländern, eine Million Wohnungen bauen und an Familien übergeben, deren Monatseinkommen unter 5.000 R$ liegt. Am Ende von Lulas Regierung im Dezember 2010, waren eine Million Wohnhäuser im Bau. Im Jahr 2014 wurde, zwischen fertigen Wohnungen und solchen im Bau, die Zahl von Drei Millionen überschritten.

April 2009

Beim Gipfeltreffen des G20 in London drückte der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, Lulas Hand, wendete sich an Kevin Rudd, den Premierminister Australiens und sagte: „Das ist der Mann! Ich liebe diesen Mann!“ Laut Obama ist Lula der populärste Politiker der Welt.

Foto: Pete Souza

Dilma Rousseff gab bekannt, Lymphdrüsenkrebs zu haben und musste sich einer Chemotherapie unterziehen. Während der fünfmonatigen Behandlung behielt sie ihr Amt bei. Sie wurde wieder völlig gesund.

Juli 2009

Die Verfassungs- und Justizkommission im Parlament (CCJ) nahm einstimmig den Vorschlag des PT-Abgeordneten José Genoíno an, das Verfassungsänderungsprojekt des Abgeordneten Jackson Barreto von der PMDB abzulehnen, das eine zweite Wiederwahl ermöglichen sollte. Anders ausgedrückt, die Möglichkeit eines dritten Mandats für Lula, sowie für andere hohe Funktionen wie Bürgermeister oder Gouverneure, wurde damit begraben. Lula und die PT hatten sich bereits dagegen ausgesprochen.

Der Ausdruck „nie zuvor in der Geschichte diese Landes“, der immer wieder in den Ansprachen Lulas verwendet wurde, wurde in der Presse und in den sozialen Medien verspottet. Der Blogger Paulo Henrique Amorim nannte den Arbeiterparteiführer „nie zuvor“. Marcelo Tas gab das Buch „Nie zuvor in der Geschichte dieses Landes“ heraus, das die amüsantesten und polemischsten Sätze des Präsidenten zusammen bringt. Der Blog der Präsidentschaft selber, der die Stellungnahmen der Regierung veröffentlichte, gab eine Reihe von Posts mit dem Titel „nie zuvor“ heraus, in der er die wichtigsten Errungenschaften der Verwaltung zusammenfasste. Diese Thema wird erneut im Dezember 2010 aufgegriffen werden, als Lula seine Regierungsbilanz veröffentlichte.

„Es stört viele, wenn ich so spreche. Viele sagen, Lula hat Brasilien entdeckt‘. Ich habe es nicht entdeckt. Ich habe nur gemacht, was andere vor mir nicht gemacht haben. Und wenn Andere nicht gemacht haben, was wir machen, sage ich halt „Nie zuvor in der Geschichte dieses Landes“.

Oktober 2009

Viele der Anwesenden bei dem Festakt hatten Tränen in den Augen als das Internationale Olympische Komitee in Kopenhagen bekannt gab, dass Rio de Janeiro der Austragungsort der Olympischen Spiele 2016 sein sollte.

In den Kinos wurde der Film „Lula, der Sohn Brasiliens“, nach dem gleichnamigen Buch von Denise Paraná, des Regisseurs Fabio Barreto gezeigt. Der Film wurde ohne irgendwelche Förderungen produziert, kostete ungefähr 17 Millionen R$ und wurde in 513 Kinosälen uraufgeführt.

Februar 2010

Auf Vorschlag von Lula, wurde Dilma Rousseff in der Generalversammlung der Arbeiterpartei (PT) als Präsidentschaftskandidatin gewählt.

Juli 2010

Lula verstärkte die Präsenz Brasiliens in Afrika und schaffte in Reisen nach Guinea, Kenia, Tanzânia, Zambia und Südafrika die Basis für zukünftigen Partnerschaften zwischen den beiden Kontinenten. In den acht Jahren seiner Präsidentschaft wurden neunzehn Botschaften in afrikanischen Ländern eröffnet. Der internationale Handel mit diesen Ländern hat sich verdreifacht.

August 2010

In Divinópolis (Bundesland Minas Gerais) weihte der Präsident in Erinnerung an seine Mutter den Campus Dona Lindu, als Erweiterung der Bundesuniversität von São João Del Rey ein (São João del Rey, historische Stadt im Bundesland Minas Gerais). Dieser Campus summierte sich der Zahl von 126 Campi und 14 Bundesuniversitäten die von Lula während seiner Mandate eröffnet werden wurden.

Oktober 2010

Dilma Rousseff gewanim ersten Wahlgang mit 47% der Stimmen und bestritt den zweiten Durchgang gegen José Serra (PSDB), der 33% erreichte. Auf dem dritten Platz landete die ehemalige Mitglied der Arbeiterpartei (PT) und ehemaligen Umweltministerin Marina Silva (PV) mit 19%.

Dilma wurde von 55.752.529 Brasilianern (56%) zur Präsidentin gewählt.

Dezember 2010

Lula unterzeichnete seine Regierungsbilanz bei einem Notar. Das 310-seitiges Dokument wurde von allen Ministern unterzeichnet. Als Schwerpunkte erscheinen die Sozialpolitik und die Einkommensverteilung. In acht Jahren konnten 27,9 Millionen Brasilianer den Bereich der Armut verlassen. 15 Millionen legale Arbeitsplätze wurden geschaffen, womit die Arbeitslosigkeit auf 6,1% sank und zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens mehr Menschen in formalen Arbeitsstellen als im informellen Bereich beschäftigt waren. 602.000 Familien wurden im Zug der Landreform in 3.400 neuen Landkommunen sesshaft gemacht, was eine gemeinsame Fläche von 47,1 Millionen Hektar beträgt, so viel wie fast die doppelte Ausdehnung der Bundesland São Paulo. In der Landwirtschaft wurden mehrere Rekordexporte erreicht, die im Jahr 2010, in dem Brasilien seine größte Getreideernte verzeichnete (148 Millionen Tonnen), 73,9 Milliarden Dollar einbrachte. Gleichzeitig wurde der Umweltschutz nicht vernachlässigt. In diesen 8 Jahren entstanden in Brasilien 74% der Umweltschutzgebiete die in dieser Zeit weltweit geschaffen wurden. In Amazonien gingen die Rodungen auf das niedrigste Niveau der letzten 23 Jahre zurück.

„Ich lege Rechenschaft nicht deshalb ab, um unsere Verdienste hervorzuheben, sondern um der brasilianischen Gesellschaft das Bild dessen, was geschafft wurde, zu zeigen, aber auch damit sie sieht, was nicht gemacht wurde und noch zu erreichen ist.“

*Das IBOPE Institut* veröffentlichte die letzte Meinungsumfrage, nach der die Popularität Lulas den Rekordwert von 87% erreichte.IBOPE ist das Akronym des Brasilianische Institut für Meinung und Statistiken. Das Institut ist ein brasilianisches multinationalen Unternehmen, das Meinungsumfragen und Marktstudien durchführt, mit einem Schwerpunkt auf Wahlforschung und Fernsehzuschauerforschung. Das Wort ‚ibope’ wird auch mit der Bedeutung von Zuschauerquote oder Prestige verwendet.

Am letzten Tag seiner Regierung akzeptierte Lula die Empfehlung der Generalstaatsanwaltschaft der Union und verweigerte die Auslieferung des Linksaktivisten Cesare Battisti an Italien. Diese Entscheidung war seit der Inhaftierung Battistis 2007 wegen Verwendung eines falschen Reisepasses überfällig. Auch wenn die italienische Regierung auf die Auslieferung drängte und der Oberste Gerichtshof (STF) die Inhaftierung Battistis nicht als politisch motiviert ansah, legte Lula die Situation anders aus und erlaubte das Verbleiben von Battisti in Brasilien. Diese Entscheidung wurde nur wenige Stunden, bevor er sein Amt verließ, veröffentlicht denn er wollte vermeiden, dass Dilma sich mit dem Fall beschäftigen müsste.

In seiner letzten öffentlichen Ansprache im Palácio do Planalto (Sitz der Exekutive) dankte Lula seinem Team und erklärte sich als erfüllt, vor allem weil er eine neue Art der Beziehung, offener und transparenter, zwischen dem Präsidenten und dem Volk geschaffen habe.

In acht Jahren hatte seine Regierung mehr als 50 nationale Konferenzen mit verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft organisiert und die Tore des Regierungspalastes für Bevölkerungsgruppen geöffnet, die früher nie dahin gelangt waren. So hatte er zum Beispiel am 18. April 2007 eine Delegation von Aktivisten für die Rechte von Leprakranken und selbst welche mit der Krankheit empfangen. Schon am 24. Mai verkündete er eine provisorische Maßnahme, die den Kranken eine lebenslange Rente gewährte als Entschädigung dafür, dass sie bislang in staatlichen Krankenhauskolonien im Landesinneren zwangsuntergebracht worden waren.

Januar 2011

Am 1. Januar übergab der erste Arbeiter, der den Präsidentensitz innehatte, die grüngelbe Schärpe an die erste Frau, die Präsidentin Brasiliens wurde.

„Ich denke, dass Brasilien sich geändert hat. Nie wurden die einfachen Menschen so sehr geachtet wie jetzt, nie wurden die Schüler/Studenten und Lehrer/Professoren so sehr respektiert wie heute. Das beweist, wie reif Brasilien geworden ist.“

DAS LEBEN NACH DER PRÄSIDENTSCHAFT

Februar 2011

Lula nahm seine Aktivitäten im Institut zur Bürgschaft von São Paulo wieder auf und machte es zum Institut Lula. In dieser Phase war die oberste Priorität, die während der Regierungszeit gesammelten Erfahrungen auszuwerten und einen weltweiten Austausch vor allem mit afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern anzuregen. Die Idee, in São Paulo eine Monument der Demokratie zu schaffen, um den langen Kampf des Brasilianischen Volkes zu zeigen, das auf friedlichem Wege diese revolutionären Änderungen bis zum heute erreichten Punkt durchsetzen konnte, wurde bekanntgegeben.

März 2011

Lula hielt seine erste Ansprache als früherer Präsident vor einer Zuhörerschaft von leitenden Angestellten der LG (ein koreanisches Unternehmen im Bereich Elektronik und Telekommunikation, A.d.Üb.)

Juni 2011

Der internationale Ruf Lulas und Brasiliens erlaubte die Wahl des Brasilianers José Graziano da Silva, der im Jahr 2003 Minister des Kampfs gegen den Hunger war, zu dem wichtigen Posten des Generaldirektors der FAO, Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft. Etwas ähnliches geschah bei der Wahl des Botschafters Roberto Azevedo zum Generaldirektor des WHO (OMC, Organização Mundial do Comércio, Welthandelsorganisation).

Oktober 2011

Lula erhielt die Diagnose einer Krebserkrankung im Rachen. In den folgenden Monaten wird er Chemio- und Radiotherapie über sich ergehen lassen müssen, in einer aggressiven Behandlung unter der Leitung des Herzspezialisten Roberto Kalil Junior. Zum ersten Mal seit 1979 erschien Lula ohne Bart.

März 2012

Fünf Monate nach der Krebsdiagnose ergaben Untersuchungen im Syrisch-Libanesischen Krankenhaus, dass Lula krebsfrei ist.

„Ich habe gelernt, und ich möchte das als guten Rat weitergeben, dass ein Patient Disziplin besitzen muss. Er muss den Vorgaben folgen. Es wird nicht angenehm sein, nichts wird leicht sein, aber er muss sich bewusst sein, dass es der Preis dafür ist, zu überleben. Allein die Tatsache zu wissen, dass das Ergebnis seiner Disziplin sein Weiterleben ist, macht sie jeder Mühe wert.“

Von den Ärzten als gesund entlassen, Lula engagierte sich im Wahlkampf der Arbeiterpartei (PT) und besuchte 12 Hauptstädte. Die Partei erreichte mehrere wichtige Wahlsiege, wie zum Bespiel Luciano Cartaxo in João Pessoa (Landeshauptstadt vom Bundesland Paraíba im Nordosten), Elmano de Freitas in Fortaleza (Landeshauptstadt vom Bundesland Ceará im Nordosten) und den gefeierten Sieg von Fernando Haddad in São Paulo: ein wenig bekannter Politiker der von Lula unterstützt wurde, genauso wie es mit Dilma Rousseff geschehen war.

Dezember 2012

In Paris fand statt die internationale Konferenz „Forum für den Sozialen Fortschritt: Durch Wachstum der Krise entkommen“. Sie wurde vom Institut Lula in Zusammenarbeit mit der französischen Stiftung Jean Jaurès von der Sozialistischen Partei organisiert mit dem Ziel, Wirtschaftsfachleute und Internationale Persönlichkeiten zusammenzubringen, um Strategien zu erarbeiten die es Staaten erlauben, die Schwankungen der internationalen Wirtschaft zu überwinden und gleichzeitig Arbeitsplätze zu sichern und die Entwicklung zu garantieren. Die Präsidentin Dilma Rousseff und der Präsident François Hollande waren bei der Eröffnung anwesend. Eine zweite Ausgabe ist für das darauf folgende Jahr in São Paulo geplant.

März 2013

Lula veröffentlichte in der New York Times einen Artikel über den Tod des Präsidenten Venezuelas, Hugo Chaves. Es wurden Verhandlungen über eine monatliche Zusammenarbeit Lulas mit der amerikanischen Zeitung geführt. Am 23. April wurde der Vertrag abgeschlossen und Lula unterzeichnete jeden Monat eine Kolumne, die nicht unbedingt in der gedruckten Presse erscheinte, aber durch die Nachrichtenagentur der NYT veröffentlicht wird. In seinem ersten Text greifte er die Demonstrationen auf Brasiliens Straßen gegen die Erhöhung der Bustarife auf.

„Die Sorgen der Jugend sind nicht nur materieller Art. Sie wollen besseren Zugang zur Freizeitgestaltung und kulturellen Aktivitäten. Aber, vor allem, wollen sie saubere und transparente politische Institutionen, ohne die Verschrobenheit des anachronistischen politischen Systems Brasiliens, das sich kürzlich als unfähig erwiesen hat, eine Reform durchzubringen. Man muss die Legitimität dieser Forderungen anerkennen.“

Juni 2013

In Addis Abeba, Äthiopien, fand ein internationales Treffen mit dem Thema „Neue Gemeinsame Ansätze um den Hunger in Afrika zu besiegen“*. Organisatoren waren das Institut Lula, die AUC (die Kommission der Afrikanischen Union) und die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO). Das erklärte Ziel war, bis zum Jahr 2025 den Hunger dieses Kontinents, wo 245 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben, auszurotten.

*Mehr erfahren hier: https://afrika.info/newsroom/afrika-den-hunger-bis-2025-beenden/

November 2013

Lula war eine der 120 Persönlichkeiten, die bei dem Seminar „Entwicklung und Einschluss in Lateinamerika“ In Santiago, Chile, zusammen gekommen waren. Das Objektiv des Treffens war eine Diskussion zur Vertiefung der Beziehungen in den Bereichen Wirtschaft, Energie und Soziales in den Ländern des Subkontinents zu durchführen. Das Seminar wurde vom Institut Lula in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und Karibe (CEPAL), der interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) und der Lateinamerikanischen Entwicklungsbank (CAF) organisiert. Im Verlauf des Jahres besuchte Lula verschiedene Südamerikanische Staaten: Chile, Argentinien, Cuba, Kolumbien, Ecuador, México, Peru, Dominikanische Republik, Uruguay und Venezuela. Das Institut Lula unterhält eine Arbeitsgruppe mit dem Namen Initiative Lateinamerika, vergleichbar mit der Initiative Afrika.

Quelle: Instituto Lula / lula.com.br

Übersetzt von Elisabeth Schober, Free LULA – Committee Austria, und Comitê Lula Livre Berlim – Internationales Komitee Freiheit für Lula